Indigene Frauen im Kultur-Business: Mit der Mode sichtbar werden
Yalitza Aparacio im Film, Karen Espinosa Vega auf dem neuen Titel der „Vogue“. Die öffentliche Präsenz von indigenen Frauen in Mexiko steigt.
M exikos derzeitiger Stern am Modehimmel heißt Karen Espinosa Vega. Jedenfalls berichtet jetzt jede Zeitung und jedes bedeutsame Onlineportal darüber, dass die 18-Jährige das neueste Cover der lateinamerikanischen Ausgabe der Zeitschrift Vogue ziert.
Die „Modebibel“, wie sich das Lifestyle-Magazin selbst lobt, zeigt eine Fotostrecke mit der jungen Frau: Mal posiert sie in eng anliegendem Shirt oder violetten Leggins und rosafarbenem Umhang, mal lässt sie sich mit blauen Samthandschuhen oder einem Sombrero in einer einsamen Berglandschaft ablichten. Meist ist ihr Blick intensiv, ansprechend, manchmal erotisch. Kritikerinnen würden sagen: sexy sells.
Das allein wäre freilich keine Meldung wert. Modebusiness as usual. Aber Karen Vega kommt aus Oaxaca, und man sieht ihr ihre Herkunft aus dem indigen geprägten südlichen Bundesstaat deutlich an: tiefschwarze Haare, braune Haut, dunkle Augen. Sie ist die erste Frau aus der verarmten Region, die als Model in der Vogue erscheint – einer Zeitung, die in erster Linie von der reichen Mittelschicht gelesen wird. Nur deshalb berichtet nun alle Welt über die Südmexikanerin.
Das allein spricht Bände, ist aber wenig verwunderlich. Noch immer sind Kultur, Mode und Lifestyle in Mexiko im Wesentlichen weiß geprägt. In den Telenovelas, die in den abgelegenen Dörfern der Sierra Sur genauso beliebt sind wie in den armen Barrios von Mexiko-Stadt, sind die Protagonistinnen und Protagonisten meist hellhäutig, nicht selten blond und auf jeden Fall ziemlich wohlhabend. Ein indigenes Model erscheint in dieser Welt noch immer wie eine Außerirdische und läuft Gefahr, den sexistisch und rassistisch geprägten Voyeurismus der Leser zu befriedigen.
Das dominierende Schönheitsideal in Frage stellen
Doch darüber macht sich Karen Vega keine Sorgen. Im Gegenteil: Sie will die Modebranche mit ihrer dunklen Haut und ihren indigenen Zügen erobern und damit dazu beitragen, das dominierende Schönheitsideal in Frage zu stellen: „Mein Sandkörnchen soll es sein, den Blick auf die Frau des Südens, auf unsere Geschichte zu richten.“
Vor ihrem Auftritt in der Vogue war sie in ein Projekt namens „magischer Realismus“ eingebunden, traditionell eine Art Verschmelzung von Realem und Surrealem. Fotokünstler aus ihrer Heimat wollten explizit mit Einheimischen wie ihr arbeiten.
Dass sich die 18-Jährige nun auf den Laufstegen der Mode-Industrie für mehr Gleichberechtigung einsetzen will, mag jene verstören, die Indigene lieber als traditionsbewusste Kämpferinnen denn als Sternchen einer Macho-Glamourwelt sehen wollen.
Doch Vega hat ein erfolgreiches Vorbild. Vergangenes Jahr machte die Indigene Yalitza Aparacio aus derselben Region als Darstellerin einer indigenen Haushälterin in dem für den Oscar nominierten Film „Roma“ Karriere. Dafür erntete sie einen gewaltigen rassistischen Shitstorm. Nicht wenige monierten auch, dass sie tat, was alle erfolgreiche Schauspielerinnen tun: mit anderen Stars im Scheinwerferlicht feiern, in Venedig Preise entgegennehmen oder in New York flanieren. Und dass auch sie auf dem Titel der Vogue posierte.
Keine Frage: Das Geschäft mit dem scheinbar Exotischen rechnet sich für die Zeitung. Jüngst zeigte die selbsternannte „Modebibel“ die Transgender Estrella Vazquez, eine „Muxe“, also eine Frau aus der indigenen Zapotekenregion, die körperlich als Mann geboren wurde. Auch diese Darstellung dürfte der Zeitung gute Verkaufszahlen gebracht haben. Der Titel mit Yalitza Aparicio bescherte Vogue ihre bis dato die größte Verbreitung.
Weißer Voyeurismus? Aparacio hat sich von solchen Einwänden nicht abhalten lassen. Heute ist sie Unesco-Sonderbotschafterin für indigene Völker und schreibt in der New York Times über Rassismus und schlechte Arbeitsbedingungen von Haushälterinnen in Mexiko.
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