: Indien als Härtetest
Ein Buch über Backpackers, die alternative Reiseszene und den Lonely Planet. Der junge britische Autor William Sutcliffe schrieb eine nette kleine Reisesatire
Es kommt, wie es kommen musste und als er nicht mehr damit rechnet: Montezumas Rache zwingt ihn in die Knie und tagelang aufs Klo. Es ist die Krönung vom Härtetest Indien. Der Held (sehr jung, er hat eben erst das Abi in der Tasche) leidet und wimmert und will endlich wieder heim zu Mama. Reisen ist ohnehin die Härte.
Von Anfang an hat er sich gegen strapaziöse Weltreisen gewehrt. Aber der beste Freund hat eine neue Freundin, und auf die ist der Held scharf. Und weil der Freund nach Nepal getourt ist und die Alleingelassene unbedingt nach Indien wollte, bricht er mit der begehrten Freundin nach Indien auf.
Es wird für ihn ein heftiger Trip über Höhen und Untiefen des Backpackerdaseins. Und ein witziger Trip. Denn William Sutcliffe, ein junger britischer Autor, nutzt den Plot vom Reisemuffel für eine nette kleine Satire auf die alternative Reiseszene insgesamt: wie sie durch Indien tourt, kifft, schwafelt, ab- und durchhängt, sich indischer als Indien dünkt und doch nur dem Buch der Bücher, dem „Lonely Planet“-Band Indien, zu ihren Szenetreffs hinterherreist. Und wie sie sich unglaublich anstrengt, alles großartig zu finden, was doch so schwer zu verdauen ist: Essen, Klima, die andere Kultur, nicht zuletzt Armut und Krankheit, die den behüteten Mittelschichtkids bis dahin mehr oder weniger unbekannt waren. Von Indien weiß man nichts, man will auch gar nichts so genau wissen. Indien ist Erleuchtung. Irgendwie. Und das reicht.
Anders als sein berühmter Kollege Alex Garland in seinem Bestseller „Der Strand“ nimmt Sutcliffe die Sehnsüchte der Szene nicht ganz ernst. Kein totalitäres, brutales Finale, in das er seine Figuren torkeln lässt, Sutcliffe konstruiert einen grotesken Reisealltag voller Situationskomik. Wenn sich sein Held über weltmännische Großtöner und Karmakenner in der Reisefamilie aufregt, dann schwingt die Eifersucht des Jungmannes auf erfahrenere Selbstdarsteller mit. Ist doch der gut aussehende Intim-Yogalehrer bei Frauen allemal erfolgreicher als er selbst.
Dem Helden bleiben statt der großen erotischen Genüsse vielmehr Erkenntnisse über lohnenswerte Geschäftspraktiken mit unbedarften Touristinnen. Unempfänglich für jedwede spirituelle Sinnsuche der Indienfahrer reist er tausende von Kilometern mit Bussen und Bahnen durch das Land. Durchhalten ist angesagt. Er will schließlich nicht als Weichei oder als Loser dastehen. So gibt er nebenbei interessante Einblicke ins Reisen jenseits der pauschalen Touristenarrangements. Als sich die Weitgereisten schließlich wieder daheim in England im Pub versammeln, kommt es zu einem wahrhaft schrägen Krach. Die Reise ist zu Ende – die Uni beginnt. CHRISTEL BURGHOFF
William Sutcliffe: „Meine Freundin, der Guru und ich“. Knaur Verlag, München 1999, 314 Seiten, 14 DM
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