piwik no script img

InFußballland

Christoph Biermann

Fernando Pascoal das Neves starb in der 13. Minute des 13. Saisonspiels. Er war 26 Jahre alt, was zwei Mal 13 Jahre ist und endgültig beweist, dass die Dreizehn nicht seine Glückszahl gewesen sein kann. Im Norden Portugals, am Stadion, in dem der FC Porto zu Hause ist, steht ein Denkmal neben dem Haupteingang, das an ihn erinnert. Auf dem hellen Stein ist nur sein Name zu lesen, das Geburts- und Todesjahr; außerdem ist eine Plakette angebracht, auf der wir Fernando Pascoal das Neves im Profil sehen.

■ Langsam muss man glauben, dass der FC Porto ein seltsam morbider Verein ist

Diogo Paiva Leite Brandão hat einen langen Namen, den er aber nicht immer in voller Gänze benutzt, denn er liebt es, schnell, präzis und direkt zu sein. Als Generaldirektor des FC Porto treibt er mit nervöser Energie die Maschinerie des Klubs voran, der zuletzt fünf Meisterschaften in Folge gewann und die nationale Konkurrenz in Grund und Boden zu spielen und zu wirtschaften scheint. Mit Diogo Brandão kann man prima über die Probleme von mittleren Fußballmärkten, Umsatzentwicklungen im Merchandising, Unternehmensstrukturen in der Fußballindustrie und den Sinn von Börsengängen reden.

Eddi, der ihn durch die Linse beobachtet, um Fotos des Mannes zu machen, wird später sagen, dass Diogo Paiva Leite Brandão nicht nur Herzinfarktringe unter den Augen, sondern auch eine Herzinfarkthaut und Herzinfarkthaare hätte. Das ist eine besonders interessante Beobachtung, denn die Haare des Managers stehen ein wenig vom Kopf ab, wie man es von nicht sehr teuren Perücken oder Toupets kennt. Doch Eddi meint, dass es eben kein Haarersatz wäre, sondern nervöse Menschen oft eben auf diese Art und Weise abstehende oder quasi unter Strom stehende Haare hätten. Wie der Mann vom FC Porto an seiner Zigarette saugt und sie dann nicht richtig ausdrückt, lässt kein Zweifel daran, dass er seiner Nervosität viel Auslauf lässt.

Aber wem würde das anders gehen, wenn er mit der Planung für ein neues Stadion beschäftigt wäre, das in Wirklichkeit ein Einkaufszentrum ist, an das eine Sportstadt angegliedert ist, wo nicht nur 55.000 Zuschauer ihren Stars in Blau und Weiß zujubeln können, sondern auch Platz für Basketballer, Turner und Schwimmer ist. Zweihundert Millionen Mark soll das kosten, was in Portugal noch einmal viel mehr Geld ist als in Deutschland.

Herr Brandão kann das zukünftige Baugelände vom 14. Stock des Bürohauses sehen, in dem sein Arbeitsplatz ist, und das alte Stadion ebenfalls, in dem der Klub nur noch drei Jahre Fußball spielen wird. Estadio das Antas heißt die in den Berg gebaute Schüssel, und langsam muss man glauben, dass der FC Porto ein seltsam morbider Verein ist, denn es wurde vor fast fünf Jahrzehnten auf dem Gelände eines Friedhofs errichtet. Ein Friedhof für die Armen war das, am Rand der Stadt, wo die Ringautobahn vorbeiführt. Antas ist ein altes Wort für „Gruft“, im Sinne eines einfachen Grabes. Ob zum Stadionbau Umbettungen vorgenommen wurden, ist so ganz nicht zu klären – wollen wir es mal hoffen.

Wenn man das Stadiongelände verlässt, ist auf der linken Seite, schräg gegenüber vom Denkmal für Fernando Pascoal das Neves noch ein anders zu sehen. An Rui Filipe erinnert nicht nur eine Plakette, sondern eine Büste, denn ihm wird noch mehr gedacht. Die letzten fünf Meisterschaften wurden jeweils seinem Gedenken gewidmet, und sollte es erwartungsgemäß in diesem Jahr wieder mit der Titel klappen, wird eine sechste Widmung folgen.

Erklärlich wird das dadurch, dass Rui Filipe das erste Tor auf dem Weg zu dieser unglaublichen Serie von Erfolgen schoss. Am Tag danach verunglückte er bei einem Unfall tödlich, er war erst Anfang zwanzig. Phil, der schon seit fast zehn Jahren in Portugal lebt und mit großer Begeisterung den Ereignissen folgt, zuckt trotzdem wenig andächtig mit den Schultern, sondern schildert genüsslich, wie Rui Felipe aus dem offenen Cabrio geschleudert wurde, weil er nicht angeschnallt war. Und zu viel getrunken hätte er auch. Aber man sollte da vielleicht nicht auf Phil hören, denn er kann den FC Porto nicht leiden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen