: In einem richtigen Konzertladen
Ausbildung Am BIMM, dem Berliner Ableger des privaten British and Irish Modern Music Institute aus England, wird Gitarrenspiel und Songwriting gelehrt, aber auch, was es heißt, ein guter Sessionmusiker zu sein
von Andreas Hartmann
Es ist eine schreckliche Schnulze, die Tim Fröhlich auf der Bühne des Kreuzberger Privatclub singen muss: „Payphone“ von Maroon 5. Es ist Mittag an einem ganz normalen Wochentag, begeisterte Fans gibt es keine, trotzdem trägt Fröhlich einen Hut, mit dem er ein klein wenig exzentrisch aussieht. Es wirkt so, als würde er die Sache mit dem Popstarwerden wirklich ernst nehmen.
Der Song klappt eigentlich schon ganz gut, Fröhlich hat eine mehr als passable Stimme, sieht adrett aus, vielleicht hat er sich ja wirklich für den richtigen Beruf entschieden: Er will professioneller Popmusiker werden. Fröhlich ist einer der ersten Studenten des Berliner Ablegers des BIMM-Instituts, einer Popmusikakademie, die bereits in Städten wie London, Dublin und Manchester Standorte betreibt und die seit einem halben Jahr mit Berlin erstmalig auch auf dem europäischen Festland vertreten ist. Drei Jahre lang wird das Studium der jungen Musiker insgesamt gehen, pro Jahr kostet sie das um die 9.000 Euro, Geld, das man wohl kaum ausgeben würde, wenn man nicht wenigstens ein bisschen davon überzeugt wäre, irgendwann im harten Showgeschäft richtig aufgehoben zu sein.
Fröhlich kommt eigentlich aus Mannheim, der einzigen Stadt in Deutschland, in der es mit der Hochschule Popakademie Baden-Württemberg schon seit 2003 etwas mit BIMM Vergleichbares gibt. Auch dort werden Songschreiber und junge Menschen, die sich für eine Laufbahn im Musikgeschäft interessieren, professionell ausgebildet. Nur: Wer will schon Pop in Mannheim studieren?
Fröhlich hätte schon gewollt. Nur wurde er nicht genommen. „Meine Mutter hat mir dann von BIMM erzählt“, sagt er. Das Aufnahmeverfahren in Berlin ist weit weniger streng als das in Mannheim, wer nicht persönlich vorbeikommen kann, darf auch per Skype der Jury in Berlin etwas vorträllern. Und so landete Fröhlich schließlich in der Hauptstadt, und sein Studium hier ist letztlich „genau das, was ich schon immer machen wollte“.
Es ist das erste Semester für ihn, aber von Anfang an sollen er und seine Kommilitonen lernen, sich mit der Bühne vertraut zu machen. Deswegen wird im Privatclub geprobt, in einem richtigen Konzertladen, und deswegen vergeht kaum eine Woche, indem die Nachwuchsmusiker nicht irgendwo auftreten, Stücke darbieten, kleine Konzerte geben, und sei es nur vor den anderen Studenten des BIMM.
Gerade jedoch passiert nicht viel mehr, als dass immer wieder „Payphone“ neu angesetzt wird, unter der Beobachtung von gleich mehreren Tutoren. Ein Gesangscoach gibt immer wieder neue Anweisungen, und ein weiterer Dozent ist dafür zuständig, dass die Struktur des Songs nicht auseinanderfällt. „Songwriting“, wo gelernt wird, was einen guten Song zusammenhält, ist auch einer der Studiengänge, die man auf dem BIMM abschließen kann. So richtig bei der Sache ist Tim Fröhlich nicht mehr, er kann seinen Part, wäre die Darbietung von „Payphone“ seine Semesterabschlussprüfung, er würde sie bestehen.
Die Tutoren des BIMM sind allesamt Leute vom Fach. Keine reinen Theoretiker, sondern echte Rocker oder zumindest Profimusiker. Der eine hat mal bei Prodigy getrommelt, und der Typ, der da in der Ecke hockt mit seinem langen Bart, in den er nur selten etwas murmelt, war mal Mitglied bei der Postpunkband Psychedelic Furs und Sessionmusiker für R.E.M. Inzwischen ist er Gitarrenlehrer bei BIMM Berlin.
Bestvernetzte Akademie
Sessionmusiker, das ist der Traumberuf von Magnus Schroeter aus Kiel, der wie Tim Fröhlich zur ersten Generation der Berliner BIMM-Studenten gehört, aber keinen Hut trägt. Er studiert Bass und muss gerade wie Fröhlich immer wieder in einer kleinen Band mit Kommilitonen seinen Part zum Gelingen von „Payphone“ beitragen. Auch Schroeter ist ziemlich zufrieden mit dem, was BIMM ihm bietet. Als bestvernetzte Akademie ihrer Art in Europa bewirbt diese sich selbst, und Schroeter glaubt, dass ihn die Kontakte, die er hier machen kann, seinem Berufsziel näher bringen. „Gleich in den ersten Wochen nach Semesterbeginn war Gordon Raphael als Gastdozent bei uns, der Produzent der Strokes, und er hat uns gleich seine E-Mail-Adresse gegeben und gesagt, wir sollen ihm schreiben, wenn wir etwas mit einer Band hinbekämen. Er würde dann das Album produzieren.“ Schroeter hat tatsächlich auch eine Band, keine, die nur immer wieder „Payphone“ runternudelt, sondern eine Rockband, natürlich gemeinsam mit ein paar anderen Musikern des BIMM.
Aber mit der eigenen Band groß werden, durch Kaschemmen tingeln und auf den Erfolg hoffen, diesen etwas romantischen Traum hat Schroeter ja gar nicht. Sessionmusiker, das sind die Typen, die auf Platten der Stars das spielen, was halt von ihnen verlangt wird. Ihre Namen kennt kein Mensch. Aber genau das will Schroeter werden: ein Sessionmusiker. Ist ja auch ein guter Beruf, und nur um den zu erlernen, ist er hier.
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