In eigener Sache: Behörde muss taz-Mails löschen
Sie suchte nach E-Mails eines taz-Redakteurs und wertete sie aus. Damit verletzte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Pressefreiheit, sagt ein Gericht.
BERLIN taz | Votum für die Pressefreiheit: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft muss umgehend sämtliche E-Mails eines taz-Redakteurs löschen, die sie zuvor ohne richterliche Beschlagnahmeanordnung gespeichert und ausgewertet hatte. Eine Erhebung und Auswertung der Daten sei nicht mit Artikel 5 des Grundgesetzes vereinbar, der die Freiheit der Presse schützt, heißt es in einem nun ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft am 27. Juni 2012 das Haus des ehemaligen Richters und heutigen Stuttgart 21-Gegners Dieter Reicherter durchsucht und dessen Computer beschlagnahmt. Reicherter hatte zuvor öffentlich aus einem Dokument des Innenministeriums zitiert, das als "nur für den Dienstgebrauch" eingestuft war. Aus dem „Rahmenbefehl“ ging hervor, dass baden-württembergische Behörden den Stuttgart 21-Protest auch mit Verfassungsschutzbeamten beobachteten.
Unter anderem ist darin die Rede von einer „offensiven und breit angelegten Erkenntnisgewinnung“. In der Veröffentlichung sah die Staatsanwaltschaft Geheimnisverrat und nahm Ermittlungen auf, um Reicherters Quelle zu finden. Kritiker verurteilten das Verfahren als politisch motiviert.
Im Anschluss an die Hausdurchsuchung werteten die Staatsanwälte Reicherters E-Mails aus und durchsuchten diese unter anderem gezielt nach dem Suchbegriff „Martin Kaul“. Kaul ist Redakteur für soziale Bewegungen bei der taz. Die teils verschlüsselte E-Mail-Korrespondenz zwischen Reicherter und Kaul wurde ausgelesen, gespeichert und zu den Akten genommen. Der taz-Journalist wurde darüber nicht informiert.
Erst Mitte 2013 beantragte die Staatsanwaltschaft bei Gericht dann eine Beschlagnahmeanordnung für die längst gespeicherten Mails. Dies wies das Gericht nun zurück und ordnete die sofortige Löschung der Daten aus den E-Mails an.
Dabei berief es sich unter anderem auf das Cicero-Urteil. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2007 geurteilt, dass eine Durchsuchung der Redaktionsräume des Politmagazins 2005 verfassungswidrig war. Die Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses durch Journalisten reiche nicht aus, um eine Beschlagnahme journalistischer Dokumente zu begründen.
Nicht löschen muss die Stuttgarter Staatsanwaltschaft dagegen Auszüge des E-Mail-Verkehrs zwischen Reicherter und einem Polizisten, gegen den die Staatsanwaltschaft nun ermittelt. Die E-Mails, die der taz vorliegen, belegen zwar, dass Reicherter und der Polizist in Kontakt standen. Das dürfte allerdings eine recht dünne Indiziensammlung sein. Konkrete Beweise, dass das von Reicherter veröffentlichte Dokument von dem Tatverdächtigen stammt, ergeben sich aus den Emails jedenfalls nicht.
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