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■ KommentarIn die Ecke gedrängt

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hält es mit Bundeskanzler Kohl. Wie dieser hat er die Gabe, drängende Probleme vor sich herzuschieben. Akteure, ob in seiner eigenen Partei oder im Senat, läßt er zunächst einmal austoben. Nun hat Diepgen der SPD eine Lehrstunde in Taktik geliefert: Während ihre Finanzsenatorin auf Konsolidierung setzt, wechselt Diepgen plötzlich die Fronten und treibt einen Keil zwischen die Koalitionspartner. Als habe er bei der SPD-Linken eine Lehrstunde in Ökonomie erhalten, taucht in seinen Leitlinien das Wunderwort von der „antizyklischen Wirtschaftspolitik“ auf. Diepgen wäre aber nicht Diepgen, würden die Ziele nicht im Verschleierungston vorgetragen. Durch Wegfall von Gesetzen sollen der Wirtschaft die „besten Standortbedingungen“ geboten werden. Die Kehrseite: Beschränkung der sozialen Fürsorge auf Kernaufgaben, Abbau des sozialen Wohnungsbaus, Streichung bei Frauenprojekten, Flüchtlingsheimen und anderem.

Als Schmiermittel für den subventionierten Aufschwung dient die Nettokreditaufnahme. Ihre verfassungsrechtlich allemal gebotene Rückführung soll zwar nach wie vor „schrittweise“, aber „unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung“ erfolgen. Diepgens Papier, so schwammig es im einzelnen auch sein mag, bringt die SPD in eine Zwangslage und Argumentationsnöte. Wenn Wirtschaft, Kultur und Universitäten verschont bleiben sollen, ist der rigide Sparkurs dem Rest der Stadt gegenüber kaum noch zu begründen. Severin Weiland

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