: In der Wertsuche vereint
■ Papstbesuch: Was Fidel Castro und Karol Wojtyla verbindet
Daß der Papstbesuch auf Kuba ein enormer strategischer Erfolg für Johannes Paul II. ist, liegt auf der Hand. Eine der entschiedensten atheistischen Diktaturen öffnet sich dem katholischen Oberhirten – das wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Unvermittelte Männerfreundschaft, schlitzohrige gegenseitige Imageförderung? Oder mehr?
Letzteres mit Sicherheit. Daß der Papst erst jetzt, gegen Ende seines Lebens, mit Fidel Castro turtelt, hat mit den verqueren Weltläuften zu tun, die bis vor kurzem mächtige politische Barrikaden gegen solche Begegnungen kannte. Noch beim Welternährungsgipfel in Rom 1996 hatte der US-Vertreter Castros Besuch im Vatikan vergeblich zu verhindern versucht. Er witterte zu Recht, daß der Vatikan alsbald die Aufhebung des Embargos gegen Castro fordern werde. Denn tatsächlich verbindet Karol Wojtyla mit Fidel Castro wesentlich mehr als der bloße Wille, sich gegenseitig aufzuwerten: Kapitalismuskritik einerseits, bestimmte Werte andererseits.
In Wojtylas Ideologie ist der schrankenlose Kapitalismus Versündigung am Menschen, für Castro ist er ein Verbrechen gegen das Volk. Weil der Westen sich angewöhnt hat, den derzeitigen Papst vor allem aufgrund seiner Haltung zur Empfängnisverhütung und seines mittelalterlichen Frauenbildes zu beurteilen, ist dieser Aspekt lange völlig unterbewertet worden. Ebensolche Übereinstimmung verbindet die beiden in der Suche nach Werten, die das Dasein des einzelnen übersteigen – Wojtyla propagiert gottgesetzte Ziele, Castro kollektive Gleichheit. Daß die beiden völlig Verschiedenes anpeilen – der eine den Frieden im Jenseits, der andere das Paradies in der Gegenwart –, bringt sie ebensowenig gegeneinander auf wie die Tatsache, daß die Papst-Kirche genau wie Castros Kommunismus die vorgeträumten Werte selbst kaum respektiert. Für beide zählt nur, daß Menschen ohne Werte auch keinen Daseinssinn haben. Besser falsche Werte als gar keine.
Auch wenn es uns unlieb ist: Die Sympathie Wojtylas für Castro hat ähnliche Wurzeln wie seine frühere Zuneigung zu anderen Diktaturen. Auch dahin zog es den Papst, weil er dort (reaktionäre) Werte entdeckte. Solche Liaison paßte damals perfekt in unser Weltbild – ein vorgestriger Papst und faschistische Despoten. Nur deshalb staunen wir jetzt Bauklötze, wenn die beiden ein so harmonisches Paar abgeben. Werner Raith
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