■ Standbild: In der Bierhölle
„Papas Promille-Party“, Di. 22.25 Uhr, RTL 2
Alles, was irgendwie anrüchig, schmuddelig ist und im weitesten Sinn mit Sex zu tun hat, wird irgendwann zu einer RTL 2-Reportage. Diesmal war es halt der Vatertag. Zwischen Bayern und Berlin schütten sich die Männer zu, als hätte der Münchener Privatsender das Bier bezahlt. Seit 1918 geht das schon so, und seit 1989 wird gesamtdeutsch beim patriarchalischen Suff mitgemacht. Hemmungslos hält die Kamera auf grölende Ossis mit offenen Hosen.
Ist der Mann voll, fällt er entweder um oder knutscht mit Artgenossen. So hätte man das rituelle Massenbesäufnis als kollektiven Ausbruch unterdrückter Homosexualität filmen können – doch so weit möchte man selbst beim Schmuddelsender RTL 2 nicht gehen. Schließlich wollen doch noch Wüstenrot und Schweppes in den Pausen gesellschaftskonform beworben werden.
Was dieses Gruselkabinett männlicher Exzesse zu einer stumpfen Pseudoreportage entschärft, ist der unerträgliche Off-Ton. Das begriffliche Erfassen des Zuschauers wird durch den Kommentator in einem fort synchronisiert, bis die bedrohliche Atmosphäre der kollektiven Enthemmung in einem harmlosen und konsumierbaren Bilderteppich aufgeht.
Wer zur Gegenprobe den Ton wegdreht (oder sich an Herbert Achternbuschs „Bierkampf“ erinnert), hat bereits nach wenigen Minuten genug von dieser gnadenlos voyeuristischen Bierhölle. Dabei sind sich die Reporter nicht mal zu blöde, ihr eigenes Prinzip zu entlarven: Weil sich die in die Jahre gekommenen Berliner Rocker am Vatertag fürsorglich um ihre Kinder kümmern, statt zu saufen – und somit halt keine verwertbaren Bilder liefern –, nehmen sie sofort wieder Reißaus. Manfred Riepe
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