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In Wartezuständen

Arabische Situationen: Les Ballets du Grand Maghreb und ihr hysterisches Körpertheater beim „Tanz im August“

Paul Bowles, Albert Camus, Jean Genet haben darüber geschrieben, man kennt es. Trotzdem erstaunen die Zärtlichkeitsrituale orientalischer Männer. In Marokko gehen sie Hand in Hand durch die Straßen, dort ist es nicht mehr als eine Alltagsgeste. Der aufgeklärte Tanztheaterzuschauer im Westen weiß das, schließlich ist er Kosmopolit. Und dennoch stutzt er, wenn ihm das Theater eine „arabische Situation“ vor die Nase setzt wie bei den Ballets du Grand Maghreb, die beim „Tanz im August“ ihre erste Produktion vorstellen.

Von vier Seiten kauert das Publikum im Lagerfeuersitz um den Bühnenraum, einen filigranen Eisenkäfig, herum. Die dünnen, mit Arabesken verzierten Gitter begrenzen einen imaginären Innenhof – Marktstraße oder Irrenanstalt –, in dem die beiden Tänzer und Schauspieler Saïd Gharbi und Ali Salmi agieren. Erst sind sie in lange weiße Kaftane gehüllt und schreiten die Innenseiten ihres Gehäuses ab, schreien und schleifen mit Hölzern an den Gittern entlang. Dann tändeln sie Hand in Hand durch das Karree, balzen und balgen sich. Doch plötzlich wird daraus Ernst, und die beiden Männer kämpfen mit vollem Körpereinsatz: Einer schleudert den anderen durch den Raum, man kommt auf alle viere, um schnell wieder aufzuspringen, schlägt Rad, keucht und schwitzt. Dazu gibt es Livemusik und Gesang vom höchsten Turm, der die impulsiven Bewegungen rhythmisiert. Und immer wieder Brocken in Arabisch, die dem Zuschauer erzählen könnten, worum es geht.

Der blinde Marokkaner Saïd Gharbi, der Algerier Ali Salmi und der belgische Dramaturg Georg Weinand lernten sich in der berühmten belgischen Tanzkompanie La ultima vez von Wim Vandekeybus kennen. Auf einer sechswöchigen Marokkoreise ließen sie sich für ihr Tanztheaterstück „Inn Tidar“ inspirieren, das, mit „Warten“ übersetzt, von Gegensätzen erzählt, vom Lärm am Tage und der Stille in der Nacht, von homophilem Selbstverständnis und strikter Geschlechtertrennung. Von Heimat und Fremde, von Mobilität und dem Verharren an einem Ort. Und vom Warten – darauf, dass die Sonne untergeht, dass die Langeweile vorüber zieht, dass irgendwann mal eine Zukunft kommt. „Inn Tidar“ ist poetisch, hysterisch und opulent. Aber es bleibt fremd. JANA SITTNICK

Heute, 20.30 h, Sophiensäle, Mitte

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