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In Memoriam Rolf Schwendter„Er kochte eine Suppe“

Mit Liedern, wissenschaftlicher Prosa, Gedichten und einem Dramolett erinnert sich sein Bremer Zirkel an Koch, Universalgenie, Professor und Zausel Rolf Schwendter.

Rolf Schwendter, Devianzforscher, war fast bei jeder Bewegung dabei - ohne in ihr aufzugehen. Am 21. Juli ist er in Kassel gestorben, am 13. August, seinem 74. Geburtstag, soll er in Wien beerdigt werden. Bild: JFeest
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Herr Feest, die Gedenkveranstaltung für Rolf Schwendter wirkt sehr privat …

Johannes Feest: Das ist sie auch! Es ist eine Veranstaltung jener, die sich mit Schwendter trafen, wenn er nach Bremen kam.

Warum?

Aus mehreren Gründen: Einmal hätte man es als öffentliche Veranstaltung anders aufziehen müssen. Das hätte ich so schnell nicht geschafft …

er ist ja erst vor zehn Tagen gestorben.

Außerdem scheint es mir so mehr in seinem Sinne. Er war ja bei aller Öffentlichkeit seines Wirkens, sei es als Koch, Autor Professor oder sogar bei seinen Auftritten auf eine merkwürdige Weise eine nichtöffentliche Person.

Was heißt das?

Also: Rolf Schwendter fuhr tatsächlich durch die Lande, gab bekannt, wann er wo war – und veranstaltete dort einen jour fixe.

Das heißt?

Er kochte eine Suppe – und im Laufe des Tages kamen die Leute zu ihm, die mit ihm sprechen wollten.

In den 1960er-Jahren hat er sich aber auch auf die große Bühne vom Liedermacher-Festival auf Burg Waldeck gestellt!

Ja, da war er dabei, wie bei so vielem. Das scheint mir einer der wichtigen Punkte seiner noch zu schreibenden Biografie: Dass er fast überall dabei war, bei fast jeder Bewegung, und auf die meisten großen Einfluss ausübte – ohne selbst darin aufzugehen.

Klingt einleuchtend, gerade wenn man schaut, was die anderen Waldeckianer vorhatten: Die Reinhard Meys und Hannes Waders wollten Kunst machen. Und Schwendter setzt sich hin, kloppt auf die Handtrommel und singt: „I can’t get no“ auf Deutsch und mit grenzwertiger Intonation

Ich bin noch immer unbefriedigt“, ja: Ihm ging’s nicht um die hohe Songkultur. Die Kindertrommel ließ er später weg und begleitete seine Lieder nur noch, indem er mit der Hand auf den Tisch klatschte.

und total unrhythmisch! Der Dilettantismus schmerzt alle in den Zwängen ihrer Kunst gefangenen ProfimusikerInnen, ist aber bewusst gewählt?

Das sollte man so sehen: Rolf hat sich stark auf John Cage bezogen. Und er war Joseph Beuys in Vielem nahe, der ja gesagt hat: Jeder ist ein Künstler. Rolf war dadurch ein großer Anreger – auch beispielsweise als ungekrönter König des Wiener Improvisations- und Lesetheaters. Er hat ja auch uns hier in Bremen dazu gebracht, so etwas einzurichten.

Verwirklicht dieser Dilettantismus aus Prinzip, was Schwendter in seiner „Theorie der Subkultur“ 1971 beschrieb?

Das wäre ein guter Ansatz, das Buch zu interpretieren …

also in dem Sinne, dass diese Theorie, die heute meist als idealisierend verworfen wird, eben nicht deskriptiv, sondern teleologisch zu lesen wäre, als Beschreibung eines Ziels …?

Ich denke, das ist eine Möglichkeit: Zu den Punkten, die ich daraus übernommen habe, und die auch ich normativ verstehe, gehört die Theorie der Drehpunktpersonen, also, dass eine widerständige Subkultur auch Mistreiter in der Verwaltung haben muss – damit, wenn sie erfolgreich sein sollte, jemand da ist, der so etwas wie Verwaltung kann, und diese Funktion übernimmt. Das Buch ist damals ja großteils bei mir am Küchentisch entstanden …

Hier in Bremen?

Nein, noch in München: Rolf war auf der Flucht vor dem Bundesheer, er hatte sich der Einberufung entzogen, und ernährte sich fast nur von Oliven.

Warum das?

Weil er kein Geld hatte. Das war auch der Grund, weshalb er, obwohl er als einer der ersten die Bedeutung der Renaturierung propagierte, keine Baumwolltaschen benutzte. Bis zum Schluss wurde er nie anders angetroffen als mit Plastiktüten. Die gab es nämlich umsonst. Und in denen trug er alles, was er brauchte: In München hatte er in einer von ihnen die Oliven, in einer anderen das Manuskript.

Und die Schreibmaschine?

Er hat nie eine Schreibmaschine benutzt, auch kein Telefon oder E-Mails. Dabei hatte er als Präsident der Grazer Autorenversammlung …

also des österreichischen Schriftstellerverbands …

… als Vorsitzender der Erich Fried Gesellschaft und der AG SPAK erhebliche organisatorische Aufgaben bewältigt.

Das ging?

Johannes Feest

73, Jurist und Rechtssoziologe, ist emeritierter Professor der Uni Bremen und hat die Gedenkveranstaltung organisiert.

Ganz vorzüglich! Er war extrem zuverlässig, lehnte aber als Mensch des Gesprächs diese mittelbare Art der Kommunikation immer ab. Auch sein Werk liegt, wenn es noch nicht gedruckt ist, nur handschriftlich vor: Das Dramolett „Victor“, das wir heute aufführen, musste ich erst transkribieren, um die Rollen zu verteilen.

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4 Kommentare

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  • WH
    Wolfgang H. Wögerer

    Lieber Feest,

    ein "Augarteneck" gibt's hier-(ÖSI)-zulande nicht, das heißt seit Jahr&Tag "Augartenspitz". S., ggf., WP.

    Dass R.S. am 31.8., 09:00_CEST, am Wiener Baumgartner Friedhof beerdigt wird merke ich nochmals an. Sein Geburtstag am 13. war Anlass für eine gut besuchte Lesung im "Weinhaus Sittl". &lg, w.

  • In das Interview hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen: die heutige Lesung des Dramoletts "Victor" ist keine Uraufführung. Es ist schon in Wien gelesen worden und, anläßlich Schwendters letztem Besuch hier, auch in Bremen (Lila Eule). Schwendter selbst hat die Hauprolle gelesen.

  • CM
    Calle Macke

    Wenige Zeilen zum Tod von Rolf Schwendter

     

     

     

    Vom Glück einen Menschen getroffen zu haben...Das sagt sich so leicht, aber letztlich gibt es immer nur wenige Menschen, auf die dieses Glücksbekenntnis zutrifft. Rolf Schwendter war gewiss so einer. Vielleicht bin ich ihm zwei,- drei Mal in meinem Leben begegnet und jedes Mal war es so ein Glückserlebnis. Und immer war es im Umkreis des 'Sozialistischen Büros', dem auch Rolf Schwendter lange Zeit sehr verbunden gewesen ist. Da siehst du einen Menschen, von dem du mit deinem zwanghaft ordentlichen Mittelstandsgeschmack auf den ersten Blick denkst, den möchte ich lieber nicht in der Dunkelheit treffen. Dann beginnt er zu sprechen und du bemerkst plötzlich wie klein dein Wissen doch ist im Vergleich zu dem, was du von ihm erfährst. Schwendter war dreifach promoviert, bewegte sich souverän in allen Epochen der Gastronomie, schien alle Schriften von Ernst Bloch, Thomas Morus, Jooachim de Fiore und Franz von Assisi gelesen zu haben, kannte sich aus in der Geschichte des Genossenschaftswesens und der Wiener Arbeiterbewegung, verfolgte mit großer Neugierde und noch mehr Wissen die Diskussionen über Psychiatrie und Anti-Psychiatrie. In der unterdrückten und verfolgten Kultur der Landstreicher und Anarchisten kannte er sich aus wie kein zweiter. Er war ein 'Kraftwerk der Phantasie, des Quer- und Vorausdenkens'. "Hoffnung", so habe ich es jüngst in "Bentos Skizzenbuch" von John Berger gelesen, "ist heute eine Schmuggelware, die von Hand zu Hand und von Geschichte zu Geschichte weitergereicht wird. In dem Sinne war Rolf Schwendter ein großer Schmuggler vor dem Herrn. Solchen Menschen begegnet man nur ganz selten in seinem Leben, vielleicht nur einmal. Ein Glück, jemand wie ihn gekannt zu haben. Carl Wilhelm Macke ( München )

  • P
    PTEulenspiegel

    Was soll man/frau zu einem tausendsassa, wie ihn sein Sahn zu seinem 70. nannte, schon komplettes sagen? Ich hebe die Briefe auf, die er mir zu den Materialien der AG SPAK in den frühern 70ern geschickt hat, immer den ganzen Raum nutzend, immer mit frischen Gedanken, aber Vorsitzender der AG SPAK war er nie, das hätte ihm nicht gefallen. Es gab nur ein "Führungskollektiv", die hauptsächlich mit sich befasst waren, während Rolf unf Norbert ( 'Gaga') und ich die Sacharbeit machten und die Bildungsarbeit. 2010 habe ich ihn zu mir nach Münster / Leer eingeladen, und er ließ sich bereitwillig abholen. ER hat mir auch versprochen, den dritten BAnd der GEschichte der Zukunft fertigzumachen: " es fehlt nur noch das Vorwort"!. Hoffentlich sorgen seine beiden Frauen in Kassel dafür, dass es auch ohne Vorwort erscheint. Ich habe selten einen 'positiveren' Menschen erlebt; in allem steckte eine Weg-Weisung und eine Brechung gleichzeitig. Schade, dass er sich zu wenig um sich selbst gekümmert hat . . . .

     

    Peter Berres, 1970 - 1974 Projektbereichssprecher Strafvollzug/Fürsorgeerziehung der AG SPAK