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In Mali auf Abwegen

Als Bundespräsident Rau auf seiner Afrikareise die legendäre Wüstenstadt Timbuktu besuchte, ging ein Teil seines Anhangs verloren. Der Berichterstatter strandet nachts vor einem gegrillten Schakal

aus Dar-es-Salam HAKEEM JIMO

Keiner der drei Tuareg sagt etwas. Wir sitzen um das kleine Lagerfeuer und schauen in die Flammen. Der jüngere Tuareg-Nomade ist damit beschäftigt, einen Tee zu brauen und ab und zu an seiner Zigarette zu ziehen. Wo er den Glimmstengel herhat, ist schon ein Kunststück in dieser Gegend. Dieser Ort und die Weite drumherum wirken wie von allem verlassen. Dieser Landstrich ist Halbwüste. Mauretanien ist nur wenige Kilometer entfernt, und da wartet die Sahara.

Selbst Lere, der größte Ort im Umkreis von 150 Kilometern, findet sich auf keiner internationalen Karte. Er liegt zwischen Segou und Timbuktu im trockenen, heißen Norden von Mali. In Lere wartet unter anderem Ingeborg Schäuble, Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe und Ehefrau von Wolfgang. Seit zwei Tagen saßen wir zusammen im Auto, um in diese abgelegene Region zu gelangen. Frau Schäuble hält sich tapfer im Busch. Abends teilt sie ihren alten irischen Whiskey aus der kleinen Flasche mit den anderen.

Am Nachmittag hatten sich unsere Wege getrennt. Der Weg zurück nach Lere, wo der Rest der Gruppe schon sitzt, besteht eigentlich nur aus zwei Stunden Fahrt mit dem Landrover durch den Sand. Aber der Fahrer hat noch einen kleinen Abstecher vor: Sieben Tuaregs sollen nach Hause gebracht werden, in ihr Dorf Dar-es-Salam.

Nach drei Stunden Fahrt wird klar, dass die Reise nicht Mittel zum Zweck des Ankommens ist, sondern ein Ereignis für sich. Die hereinbrechende Dunkelheit stört niemanden, trotz der amtlichen Warnung, nicht nachts zu fahren. Schließlich sei die Rebellion der Tuareg erst vor knapp fünf Jahren zu Ende gegangen. Das stört die Tuareg aber nicht.

Obwohl sie seit ihrer Geburt die Wildnis jeden Tag sehen, werden sie nicht müde, auf Details zu achten. Details können den Unterschied zwischen einem vollen und einem leeren Magen ausmachen. Ein solches Detail ist der Schakal hinter einem Busch. Die Fahrt wird unterbrochen. Wie selbstverständlich legt der eine Tuareg das Gewehr an und zerfetzt mit der Kugel die Kehle des Schakals. Der rennt blutend weg, und der jüngste der Männer muss noch ein paar hundert Meter hinterherlaufen. Zuckend wird das Tier schließlich in die Mitte der Ladefläche gelegt.

Umso größer ist die Freude bei der Ankunft in Dar-es-Salam. Der Mond scheint schräg über die knapp ein Dutzend Gehöfte des Dorfes. In jedem von ihnen lodert ein Feuer. Kamele, Kühe, Esel und Ziegen haben sich schon zum Schlafen niedergelassen. Die Tuareg-Familien breiten vor einer niedrigen Lehmhütte Matten aus. Eine Frau bringt ein Tablett mit in Sirup getränkten Datteln und kleinen Keksen.

Die Spezialität des Nordens von Mali ist eigentlich gegrilltes Kamel, gefüllt mit gegrillter Ziege, wiederum gefüllt mit gegrilltem Huhn, gefüllt mit gekochtem Ei. Das ist nichts für Vegetarier. Selbst die deutsche Delegation mit Bundespräsident Johannes Rau an der Spitze lehnte bei diesem kulinarischen Angebot dankend ab. Rau ist auf seiner Afrikareise diesem Landstrich so nahe gekommen wie kaum ein deutscher Politiker vor ihm. Er wollte unbedingt Timbuktu besuchen, um sich vom versandeten Charme der einstmals blühenden Wüstenstadt und ältestem Universitätsstandort der Welt umwehen zu lassen.

Dafür wurde eigens eine Transall-Maschine eingeflogen, weil der Luftwaffen-Airbus in Timbuktu nicht landen kann. Ein Konvoi von 45 Wagen fuhr dann zum Ufer des Niger-Flusses. Mehrere Einbäume und eine Fähre brachten den deutschen Besuch auf die Flussinsel Ewet. Über 50 Kamelreiter warteten auf der anderen Seite, um den deutschen Bundespräsidenten willkommen zu heißen.

Ein paar Tage zuvor auf dem Staatsbankett, wo Malis Präsident Alpha Oumar Konaré wegen seiner Verdienste für die Demokratie das Bundesverdienstkreuz bekam und Johannes Rau das malische Pendant, sagte der Bundespräsident, dass es vielleicht kritische Stmmen in Deutschland geben könnte, die sich über sein touristisches Programm mokierten. Aber das nähme er gerne in Kauf, wenn er so seinen Mitbürgern die schöne Seite Afrikas näher bringen könne. Aber die mitgereisten deutschen Journalisten interessieren sich eher für Somalia und Kongo. Stimmung lässt sich eben nicht protokollarisch bestimmen.

Die Situation im Wüstendorf Dar-es-Salam ist dagegen vollkommen unprotokollarisch. Ab und zu dreht der kühle Wind in der stillen, grenzenlosen Weite der Wüstennacht und treibt Rauch und Grillgeruch in Augen und Nase. Aus dem Zelt klingt leise Musik aus einem Kofferradio. Die Taschenlampe und das Radio scheinen Attribute der modernen Welt zu sein. Sie laufen mit Batterien. Strom gibt es nicht.

Am Feuer des Nachbarzelts ist der Schakal schon gehäutet. Ein Mann versichert mir, dass sie keine Schakale essen. Das machen nur Araber. Der Schakal wird zerlegt und verteilt. In einer blutverschmierten Schale liegen seine Nieren und die Leber vor mir. Ich weiß nicht, warum mir der der Mann die Schale hinstellte. Vielleicht dachte er, ich sei Araber. Dabei bin ich Afrodeutscher, Halbnigerianer. Doch ich sehe fast so aus wie meine Tuareg-Gastgeber. Zwei Jungs sitzen mit am Feuer. Ihre Haut ist so hell, dass sie problemlos in Europa untertauchen könnten. Aber sie sind von hier.

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