■ In Berlin wurde gestern der "Masterplan" für die Umgestaltung der neuen, alten Mitte vorgestellt. Für seine Kritiker ist das "Planwerk Innenstadt" eine "Kampfansage" an die Vorstellungen der Bürger: Das Primat der Mitte
In Berlin wurde gestern der „Masterplan“ für die Umgestaltung der neuen, alten Mitte vorgestellt.
Für seine Kritiker ist das „Planwerk Innenstadt“ eine „Kampfansage“ an die Vorstellungen der Bürger
Das Primat der Mitte
So schön kann Bauen sein. Kein Haus wie das andere, die Fassaden mal italienisch, mal „berlinisch“ verkleidet und alles städtebaulich korrekt geordnet. Haus, Block, Stadt – das ist das „Quartier Schützenstraße“ des Architekten Aldo Rossi unweit des ehemaligen alliierten Kontrollpunkts Checkpoint Charlie in Berlin. Ein Musterbeispiel für die „kritische Rekonstruktion“ der Friedrichstadt, der der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann zusammen mit Berlins avanciertestem Stadttheoretiker Dieter Hoffmann-Axthelm zur Geltung verholfen hat.
Mit einem Masterplan für die Ostberliner Innenstadt hat sich das Planerduo nun mit Getöse zurückgemeldet: Stimmann als neuer Staatssekretär von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und Hoffmann-Axthelm als Autor des „Planwerks Innenstadt“, wie der Plan offiziell heißt. „Die wichtigste Frage“, sagte Stimmann gestern bei der vorgezogenen Vorstellung der Planungen für die historische Innenstadt und die City- West, „war, ob man die Zerstörungen der DDR als Museum stehen läßt, oder ob man eine Neuverortung des historischen Zentrums einer 3,5-Millionen-Metropole versuchen möchte.“
Stimmann und Hoffmann-Axthelm haben die Antwort gegeben. Sie heißt „Primat der Mitte“ und ist eine „Kampfansage“ an die Vorstellungen von Bürgerinitiativen und Bezirken. Die Freifläche zwischen dem Fernsehturm am Alexanderplatz und der Marienkirche soll ebenso mit Blöcken aufgefüllt werden wie die Grünanlage am Friedrichswerder. Auf der Fischerinsel sollen fünf Hochhäuser von dreistöckigen Häuschen in Parzellenstruktur schamhaft versteckt werden, und nordöstlich des Alexanderplatzes soll die Landsberger Allee gar durch ein Wohngebiet gebrochen werden, um das alte Straßenraster der ehemaligen „Königsstadt“ zurückzugewinnen.
Doch aus dem erhofften Paukenschlag der beiden Strategen wurde nichts. Noch bevor der im stillen Kämmerchen erarbeitete Plan am morgigen Freitag offiziell vorgestellt werden sollte, waren die Einzelheiten bereits an die Öffentlichkeit gedrungen. Trotz einiger Änderungen, die die Masterplaner mittlerweile berücksichtigt haben, laufen die Kritiker des Plans Sturm. „Das ist ein völlig unhistorischer Umgang mit Stadt“, ärgert sich die bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Rita Keil. „Auf der einen Seite diskutiert man, wie man mit Kupferbändern an den Verlauf der Mauer erinnern kann, auf der anderen Seite sollen die Zeugnisse des DDR-Städtebaus verschwinden.“ Wie die PDS fordern deshalb auch die Grünen ein „offenes Verfahren“.
Was die Gegner der Planung ärgert, ist aber auch die Doppelmoral, mit der die historische Mitte wiedergefunden oder die Moderne „revidiert“ werden soll. Von der Planung unangetastet bleibt nämlich nicht nur die hybride Alexanderplatz-Planung des Architekten Hans Kollhoff mit ihren 150 Meter hohen Türmen. Tabu waren auch Westberliner Nachkriegsplanungen wie die offene Stadtlandschaft von Hans Scharoun am Kulturforum oder der schizophrene Mehringplatz am südlichen Ende der Friedrichstraße.
Ungeachtet der Kritik wollen die Planer des neuen, alten Berlin nun Dampf machen. Bereits im nächsten Jahr soll die Masterplanung von Senat und Abgeordnetenhaus verabschiedet werden. Spätestens dann wird sich allerdings herausstellen, wie durchsetzungsfähig die im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU vorgesehene Rückbesinnung auf das historische Zentrum tatsächlich ist. Zum ebenfalls vorgesehenen Rückbau der autobahnähnlichen Schnellstraßen durch die Berliner Mitte braucht es nämlich die Zustimmung von Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU). Doch der hat bereits abgewunken.
Unverhoffte Unterstützung für die Verkehrsplanung bekommt das Duo Stimmann/Hoffmann- Axthelm dagegen von der Baustadträtin von Mitte, Karin Baumert (PDS). Auch sie will eine radikale Wende in der Verkehrspolitik sowie die stadträumliche Neufassung von Plätzen. Eine Bebauung der Freiflächen am Fernsehturm oder zwischen Friedrichswerderscher Kirche und Spittelmarkt kommt für Baumert aber nicht in Frage. „Das sind öffentliche Flächen, die nicht privatisiert werden dürfen.“ Uwe Rada, Berlin
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