Immobilienhandel: Kultur schlägt Kapital

Künstler und Kleingewerbler können nach langem Kampf auf dem Rotaprint-Gelände im Wedding bleiben. Liegenschaftsfonds verkauft das Areal an zwei Stiftungen statt an einen Großinvestor.

"Heute ist der Tag der Freude und der Glückwünsche." So begrüßte gestern der kulturpolitische Sprecher der Linkspartei,Thomas Flierl, die rund 100 Gäste im Innenhof des ehemaligen Rotaprint-Geländes im Wedding. Unter ihnen war auch der Geschäftsführer des Berliner Liegenschaftsfonds (LiFo), Holger Lippmann.

Nach langen Auseinandersetzungen verkaufte der LiFo das rund 8.400 Quadratmeter große Gewerbegelände in der Nähe des Nauener Platzes am Montag für den Verkehrswert von 600.000 Euro an die beiden Stiftungen Trias aus Hattingen und Edith-Mayron aus Basel. Ursprünglich hatte der LiFo rund 2 Millionen Euro gefordert. Sofort im Anschluss an die Unterzeichnung des Kaufvertrags reichten die beiden Stiftungen den Komplex mittels eines Erbpachtvertrags über 99 Jahre an die von den Mietern neu gegründete gemeinnützige "ExRotaprint gGmbH" weiter. Über den Verein "ExRotaprint e. V." sind ab sofort sämtliche der zurzeit 86 Mieter an den Entscheidungen über die Zukunft des Geländes beteiligt.

Stolz berichtete die Künstlerin Daniela Brahm vom Vorstand des Vereins, wie es in den vergangenen Jahren gelang, fast sämtliche Nutzer an einen Tisch zu bekommen. Das Gelände wird zu je einem Drittel von verschiedenen Künstlern, Kleingewerbetreibenden wie dem türkischen Hersteller von Döner-Kebab-Drehspießen Yilmaz und soziokulturellen Einrichtungen wie dem seit 1976 im Wedding tätigen Verein Lernstatt genutzt. Brahms hofft nun auf die "Synergien von künstlerischen Aktivitäten, lokalem Gewerbe und sozialen Trägern". Nicht nur aus Mangel an Eigenkapital, sondern auch "um Spekulation und Fantasien von Eigentum zu verhindern", entschloss man sich zum Modell mit den Stiftungen, ergänzte der Künstler und neue Geschäftsführer der Gmbh, Les Schliesser.

Obwohl Flierl gestern nicht fragen wollte, "wer wann wem wo welche Wunden schlug", hatte der öffentliche Händedruck zwischen Schliesser und Lippmann eine große symbolische Bedeutung. Jahrelang hatte der LiFo gegen den erklärten Widerstand der Nutzer versucht, das Gelände an einen Investor zu verkaufen. Die von einem Investor betriebene Aufwertung des Geländes hätte für die meisten Nutzer eine Vertreibung bedeutet.

Deshalb entwickelte sich im Laufe der Zeit ein breiter Widerstand von Bezirkspolitikern, Abgeordneten bis hin zu Künstlerverbänden gegen diese Verkaufspolitik. Doch erst als im Frühjahr sogar der Versuch, das Rotaprint-Gelände im Paket mit 44 weiteren schlecht verkäuflichen ehemals städtischen Immobilien zu verkaufen, gescheitert war, weil niemand einen akzeptablen Preis bot, schwenkte der Lifo um.

Trotzdem will Lippmann auch jetzt keine Veränderung der Politik des LiFos erkennen: "Wir verkaufen weiter nur zum Verkehrswert." Flierl dagegen sieht schon "eine Trendwende hin zur Vermarktung nach stadtentwicklungspolitischen Zielen, wenn dies mit den finanziellen Interessen des Landes Berlin vereinbar ist". Was hier möglich sei, solle nun auch beim Studentendorf Schlachtensee und dem benachbarten Künstlerhaus Wiesenstraße 29 möglich sein.

Der Sprecher der Künstler im Atelierhaus Wiesenstraße, Jörg Bürkle, sagte, dass "die Künstler im Haus zurzeit mit Unterstützung aller Mieter eine Genossenschaft gründen". Parallel ermittle der Gutachterausschuss des Landes Berlin einen neuen Verkehrswert. "Dann wird der LiFo neu mit uns verhandeln."

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