Immobilien: Uni macht Ökoforschung kaputt

Die Technische Universität möchte ein Grundstück in Dahlem verkaufen. Damit zerstört sie 40-jährige Forschung zu Stadtnatur

Dieses Stück grün steht zum Verkauf Bild: Archiv

Die Technische Universität (TU) von Berlin ist auf Verkaufstour. Im Angebot hat sie unter anderem ein knapp 3.000 Quadratmeter großes Grundstück am Kehler Weg in Dahlem. Den Preis erfährt man auf Anfrage.

Deutlich wird aus der Anzeige auf ImmobilienScout im Internet auf jeden Fall: Es handelt sich um ein Filetgrundstück im Westberliner Nobelviertel. Im TU-Originalton kommt das so rüber: "Das Grundstück befindet sich im zentrumsnahen Villen- und Einfamilienhausgebiet Dahlem." Gute Verkehrsanbindungen gibt es auch - an erster Stelle nennt die Anzeige die Autobahn.

Die ganze Geschichte hat natürlich einen Haken. Er versteckt sich hinter folgender Formulierung: "Das Grundstück ist dicht mit Sträuchern und Bäumen bewachsen. Wesentliche Bodenbefestigungen sind nicht vorhanden."

Aus dem Mund des langjährigen Leiters des Instituts für Ökologie an der TU, Reinhard Bornkamm, indes versteckt sich hinter diesem dichten Wildwuchs eine 40-jährige Forschung, die die Universität nun gegen Cash zu kappen bereit ist.

Das Gelände am Kehler Weg wird seit 1928 als landwirtschaftliche Versuchsfläche genutzt. Bis Kriegsende machten die Thomas Phosphatwerke dort Düngerversuche. Nach 1945 lag es brach und wurde später vom Lehrstuhl für Obstbau an der landwirtschaftlichen Fakultät bewirtschaftet. 1968 ging die Fläche an das heutige Institut für Ökologie. Seit damals kümmert sich Reinhard Bornkamm um die Fläche, ein inzwischen emeritierter Wissenschaftler.

Der Forschungsauftrag, der auf dem Grundstück seit Jahrzehnten ausgeführt wird, klingt denkbar einfach. Er lautet: "Wir überlassen das Gelände sich selbst und gucken, was geschieht", sagt Bornkamm. Das Gelände bot ideale Beobachtungsbedingungen, da auf verschiedenen Flächen unterschiedliche Bodenzusammensetzungen - etwa saure, alkalische, sandige - vorkamen. Die Wissenschaftler schütteten auf weiteren Flächen schwierige Böden auf, wie man sie in einer Stadt vorfindet. Darunter solche, die mit Kohle oder mit Betonteilen versetzt sind. Akribisch festgehalten wurde seither, was auf dem Stückchen Stadtnatur in welcher Menge wächst. Und es wächst einiges. "In den 40 Jahren ist ein kleiner Modellurwald entstanden mit 25 Meter hohen Bäumen", sagt Bornkamm.

Ohne primäre menschliche Eingriffe haben sich fast alle Waldbaumarten des Berliner Raumes, aber auch Arten aus den umliegenden Gärten auf dem Gelände entwickelt. Und zwar auf den unterschiedlichen Böden in unterschiedlicher Zusammensetzung und Geschwindigkeit. Dazu kommen ungefähr 300 wildwachsende Pflanzenarten, von denen etwa 10 Prozent auf der Roten Liste stehen.

"Das Gelände muss unbedingt erhalten bleiben", fordert Bornkamm. Nicht nur weil viele geschützte Gehölze auftauchten und sich ein urwaldartiger Stadtwald entwickelte, sondern auch weil das Gelände als Anschauungs- und Studienfläche für Stadtplaner und die Stadtverwaltung von großer Bedeutung ist.

Heute wird viel von Stadtwäldern gesprochen. Gleichzeitig hat die öffentliche Hand immer weniger Mittel, diese zu pflegen. "Auf dem Grundstück am Kehler Weg wird gezeigt, wie sich die Natur auf unterschiedlichen Stadtböden mit wenig Betreuung und Geld artenreich entfaltet", sagt Bornkamm. Das TU-Grundstück steht als Modell für sich selbst überlassene Natur in der Stadt - und als Blaupause.

Protest? Ja!

Bornkamm und sein Kollege Franz Rebele fordern in einem offenen Brief nun dazu auf, sich beim Präsidenten der TU für den Erhalt des Geländes einzusetzen. "Nur in Langzeitstudien kann die Waldsukzession erforscht werden", schreiben die Wissenschaftler. Ralf Peinemann, der Mann, den Kaufwillige in der TU ansprechen sollen, sieht das naturgemäß anders: "Irgendwann sind eben alle Versuche zu Ende."

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