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Immer am Handy

Iker Casillas, die Torwartlegende in Diensten des FC Porto, ist abserviert worden. Weshalb er wohl auch gegen Leipzig nicht im Tor stehen wird

Mangelnder Trainingsfleiß: Iker Casillas darf nicht mehr mitspielen in Porto Foto: reuters

Aus Barcelona Florian Haupt

Es hat immer etwas von Verzweiflung, wenn sich Fußballer mit der Presse anlegen. Geht es ihnen gut, ignorieren sie die Medien lieber. Aber Iker Casillas geht es gerade nicht so gut, außerdem hat er in seiner Karriere lange geschwiegen, immer alles in sich hineingefressen, viel, zu viel manchmal, also macht er es inzwischen lieber umgekehrt und lässt nichts unkommentiert. „Verflixt“, twitterte er etwa jüngst, „sie sagen es euch, aber mir nicht? Mit wem vom FC Porto sprecht ihr denn?“

Da war gerade ein neuer Erklärungsversuch in die Debatte eingereicht worden, die Portugals Fußball beschäftigt: Warum sitzt Casillas plötzlich nur noch auf der Bank – der größte Star, den die Exportliga in den letzten Jahrzehnten zu bieten hatte, der fünffache Welttorwart, zu dessen Vorstellung im Estadio do Dragão vor zwei Jahren rund 50.000 Fans kamen? Weil er eben auch das höchste Gehalt im portugiesischen Fußball hat, berichteten die Zeitungen. Der FC Porto, schon im Sommer für Verstöße gegen das Financial Fairplay bestraft, wolle, ja: müsse ihn im Wintertransferfenster loswerden.

Seit dem Champions-League-Spiel bei RB Leipzig vor zwei Wochen ist Casillas, 36, degradiert, die Reservistenrolle beim Pokalspiel am Wochenende zuvor war noch im Rahmen der Erwartbaren gewesen. Und trotz eines Patzers in Sachsen, der Portos 2:3-Niederlage einleitete, hat sein Rivale José Sa, 24, seither auch alle Ligaspiele bestritten. Der ehemalige Jugendnationalspieler ist der typisch moderne Torwart, robust und muskulös, wo Casillas nie von seiner Physis, sondern immer nur von seinen Reflexen lebte. In den letzten Spielen hat sich Sa gefangen. Bestimmt wird er auch heute im Rückspiel gegen Leipzig auflaufen.

Warum also? Denn eigentlich lief es gerade besonders gut für Casillas. So gut wie nie in seiner Zeit beim FC Porto, wo ihn anfangs noch, in Gestalt regelmäßiger Patzer, die Folgen der Demontage bei seinem Jugendklub Real Madrid verfolgten. Casillas war unter Zweifeln an seiner Loyalität und schließlich sogar Pfiffen vom Hof gemobbt worden. „Ich schien die Pest, man wollte mich auslöschen“, kommentierte er das mal. Doch nun schien das Martyrium endlich vorbei. Zu Saisonbeginn ließ er 530 Minuten kein Gegentor zu, die beste Serie seiner Karriere und eine historische Marke der portugiesischen Liga. In der Champions League avancierte er mit seinem 174. Einsatz zum alleinigen Rekordspieler. Casillas träumte von einer Rückkehr in die spanische Nationalelf und der WM 2018.

Ist der heilige Iker doch nicht so geradeheraus, wie er immer beschrieben wird?

Umso mehr umweht seinen Absturz nun wieder ein Hauch des Tragischen, des Ungerechten und der Verschwörung. Aber vielleicht macht man es sich damit auch zu einfach. Vielleicht ist „San Iker“, der heilige Iker, doch nicht so geradeheraus, wie er immer beschrieben wird. Polizistensohn aus der Madrider Trabantenstadt Móstoles, der bei Real Madrid seinen Kleinwagen zwischen allen Luxuskarossen parkte und sich seitdem nicht wirklich verändert hat – so geht die Legende. Doch es gibt Stimmen, die ihn als eingebildet beschreiben, erst recht seit der Liaison mit dem Reporter-Starlet Sara Carbonero. Nach der EM 2016 erklärte der abtretende Nationaltrainer Vicente Del Bosque, er habe zu seinem Abschied allen Spielern eine persönliche Nachricht geschrieben. Allen außer Casillas. Der Torwart, nur Ersatz in Frankreich, habe sich dem Trainerteam gegenüber nicht korrekt verhalten. Wer den Menschenfreund Del Bosque kennt, weiß: Es muss eine Menge zusammenkommen, um ihn so zu verärgern.

In Porto begründete Coach ­Sérgio Conceição seinen Wechsel mit schlechten Trainingsleistungen während der letzten Länderspielpause. „Die Spieler kennen meine Regeln“, so der Trainer, der gern den harten Hund gibt. „Ich muss kohärent sein, egal ob einer Joaquim, Manuel oder Antonio heißt, sonst verliere ich die ganze Gruppe. Kann ich die Augen davor verschließen, wenn 15 Trainingstage nicht meinen Anforderungen entsprechen?“ Natürlich nicht, und Insider berichten, dass ihm der Routinier vor allem in einer Hinsicht nicht als gutes Beispiel gelte: Er hänge dauernd am Handy und in den sozialen Netzwerken. Iker Casillas, 36, schlimmer als jeder Teenager.

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