: Im langen Lauf der Zeit
Autofahren als Kunst der Beoabachtung: Mit „Route One/USA“ von Robert Kramer findet ein Film zu wirklich epischem Format
Ein jegliches hat seine Zeit. Meist ist die von der Norm portioniert. Hartnäckige Vinyl-Hörer müssen nach 20 Minuten ihre Scheibe umdrehen, eine CD schenkt in etwa eine Stunde lang Musik, und für einen Film rechnet man grob überschlagen mit 90 Minuten. In dem Maß geht das schon als abendfüllende Unterhaltung durch und gibt einem doch noch genug Zeit, das gerade Gesehene hinterher bei einem Bier zu diskutieren.
Auch wenn mittlerweile die Fronten, vorneweg durch das so schön in die Länge gezogene Absaufen der „Titanic“, ein wenig aufgeweicht sind: Filme mit Überlänge sind gemeinhin Kassengift. Erst einmal halten sie nur den Betrieb auf (weil nicht mehr so viele Streifen hintereinander zur Auslastung der Kinos abgenudelt werden können). Zweitens darf man bei den Maxivarianten getrost meistens gleich an Kunstkino denken und an Regisseure, die sich nicht mit dem Standardzuschnitt begnügen wollen.
Was schön ist. Was so erst wirklich neue Seherfahrungen möglich macht. Wenn man über Stunden hinweg im Kinodunkel auf die Leinwand guckt. Was einen immer mehr aus der Welt hinaushebelt, im Film versinken lässt, der doch wieder unsere Wirklichkeit ist, bei „Route One/USA“ von Robert Kramer, gegen dessen bloße Laufzeit solche lächerlich dreistündigen Schöpfungsmythen wie „Herr der Ringe“ oder „Gangs of New York“ kleinmütig wirken.
Satte viereinhalb Stunden ließ der 1999 verstorbene Regisseur – der auch das Drehbuch zu Wim Wenders „Stand der Dinge“, schon so ein nach innen verlagertes Roadmovie, geschrieben hat – sein Alter Ego Doc auf der US-Landstraße Eins die gesamte amerikanische Ostwüste bis nach Key West hinunterfahren. Durch kulturelle und individuelle Erfahrungen, gar nicht stur der Straße nach irgendwo im Niemandsland zwischen Dokumentation und Fiktion. TM