Im Stau auf der B 278 nach Bremen: Die Leiche zu Silvester
In der Türkei sagt man: Wie man in das neue Jahr hineinkommt, so geht es auch weiter. Ich hätte das neue Jahr beinahe im Knast begonnen.
I n der Türkei sagt man: Wie man in das neue Jahr hineinkommt, so geht es auch weiter. Deshalb wollte ich dem Schicksal etwas nachhelfen und habe versucht, das neue Jahr mit leckerem Essen und attraktiven Frauen zu beginnen. Eminanim hatte nämlich ein halbes Dutzend hübscher Freundinnen zur Silvesterfeier eingeladen.
Vorher aber hatte ich noch alte Bekannte weit draußen auf dem Land besucht und fuhr um 23 Uhr los, damit ich rechtzeitig vor Mitternacht zu Hause in Bremen bin. Ich trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch! Mein tiefergelegter 68er Ford-Transit legte sich in die Kurven wie eine Formel-1-Maschine. Auf der einsamen Landstraße raste ich mit 63,5 km/h durch die winterliche Nacht.
Und prompt landete ich in einer Verkehrskontrolle. Ich fuhr langsam an die Polizeisperre heran. Und dann der Schock! Ein Toter! Knapp zwei Meter vor mir lag ein toter Mensch mitten auf der Fahrbahn. Ein grauenhafter Unfall war passiert. Ein roter BMW hatte sich um einen Baum gewickelt.
„Hallo, dürfte ich bitte vorbeifahren? Ich werde dringend zu Hause erwartet“, rief ich einem der vielen Polizisten zu, die gerade dabei waren, die Spuren zu sichern. Der Notarztwagen war noch nicht da, aber dafür zwei Kamerateams vom Privatfernsehen.
Bei Allah, mit gutem Essen und schönen Frauen wollte ich das neue Jahr beginnen, aber stattdessen musste ich neben einem toten BMW-Fahrer ausharren. Was wollte das Schicksal mir damit sagen? Würde ich das ganze Jahr über mit Toten zu tun haben? Oder würde ich bald selbst den Löffel abgeben?
„Bitte, bitte, Herr Polizist, ich werde auch ganz vorsichtig dran vorbeifahren. Bei dem Mann kann ich sowieso nicht mehr viel falsch machen. Die Leiche ist ohnehin schon tot!“
Für eine Sekunde hatte ich sogar das Gefühl, dass selbst der Tote mich erhört hätte, aber diese ignoranten Männer in Uniform nicht.
Die Zeit verging, und ich hockte zusammen mit einem Toten auf der B 278 und wartete. Die Polizei machte keine Anstalten, die Straße zu räumen. Es war zum Verrücktwerden!
Die Glocken der Dorfkirchen ringsum fingen an zu läuten. Wir hatten bereits Mitternacht. Genau in dem Moment haben auch die Polizisten die Sektkorken knallen lassen. So abgebrüht wollte ich auch mal sein, um auf das Wohl einer frischen Leiche zu trinken. Und dann war ich einer Ohnmacht nahe, als ich sah, wie die Leiche seelenruhig aufstand und sich zwei Sektgläser schnappte. Blutverschmiert torkelte er auf mich zu, drückte mir ein Sektglas in die Hand und sagte gut gelaunt:
„Mann, Sie haben aber toll mitgespielt, Danke!“
„Wie, was habe ich gespielt?“, stotterte ich. Bis dahin hatte ich noch nie mit einem echten Zombie gesprochen.
„Mein Herr, wir wollten unter möglichst realistischen Bedingungen einen Verkehrsunfall in der Silvesternacht nachstellen. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit und Frohes Neues Jahr.“
Ich drehte fast durch, packte ihn am Kragen und brüllte: „Gleich bekommst Du es noch realistischer, du Idiot! Du weißt ja bereits, wie man sich als Toter fühlt!“ Wäre der Regisseur nicht dazwischen gegangen, hätte ich das neue Jahr wohl oder übel im Knast begonnen.
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