piwik no script img

Im Rausch des runden Leders: Fußball-Fan-Finale 1992

■ Pokalendspiel zwischen Hannover 96 und Borussia Mönchengladbach am Samstag um 18 Uhr im Olympiastadion/ Reisebusse und Sonderzüge bringen die 30.000 Fußballbegeisterten in die Stadt/ Fan-Projekte aus 14 Städten veranstalten heute ein eigenes Fußballturnier

Charlottenburg. Fußball — balla- balla: Am Wochenende wird's nicht nur zwischen den beteiligten Mannschaften Hannover 96 und Borussia Mönchengladbach wieder rundgehen. Die 76.200 Plätze des Olympiastadions sind restlos ausverkauft, Flüge und Züge sind ebenfalls so gut wie ausgebucht. 52.000 Berlin-Besucher, darunter mindestens je 15.000 Fans aus Hannover und Mönchengladbach, werden zum 49. Endspiel um den Vereinspokal des Deutschen Fußball-Bundes anreisen. Da wohl auch die Sonne mitspielen wird, sind Organisatoren und Polizei auf ein »rauschendes Fußballfest« eingestimmt. »Ein Polizeisportfest soll und wird es nicht werden«, versicherte der Sicherheitsbeauftragte des Berliner Fußballverbandes, Tietze, der taz.

Am Samstag mittag werden neben 400 Reisebussen auch noch fünf Sonderzüge aus Hannover und Mönchengladbach mit je 1.000 Fußballanhängern im Bahnhof Zoo erwartet, der Bundesgrenzschutz will mit 300 Beamten den Bahnhof sichern und die Szenerie beobachten. Die Polizei, die sich »wie bei den Endspielen in den letzten Jahren diskret zurückhalten« will, wird im Stadion und in der Stadt 800 Beamte im Einsatz haben. Nach Einschätzung von Jörg Kramer, der nun zum vierten Mal hintereinander den Einsatzleiter beim Pokalfinale spielt, befinden sich unter den Fans rund 500 latent gewaltbereite Jugendliche. Der Sicherheitsbeauftragte des Berliner Fußballverbandes schätzt die Zahl der Hooligans auf je 100 bei beiden Vereinen.

Der Fußballverband selbst wird auch noch mal 530 Ordner für die Einlaßkontrollen und für die Sicherheit innerhalb des Olympiastadions stellen, in dem absolutes Alkoholverbot herrscht.

»Große Euphorie, große Hoffnungen, große Anhängerschaften« erwarten auch die Mitarbeiter des »Berliner Fan-Projektes« für das DFB-Pokalfinale, weil die beteiligten Mannschaften sich »seit vielen Jahren fernab von glorreichen Fußballzeiten« befinden.

Frei nach dem Motto »Globall denken, lokal kicken« wird das »Fan- Projekt« schon heute mehr als 150 Jugendliche mit einem eigenen Fußballturnier auf das Endspiel einstimmen. Eingeladen zu der ersten Großveranstaltung dieser Art sind die »Fan-Projekte« aus Hannover, Hamburg, Magdeburg und weiteren zehn deutschen Städten, die in ähnlicher Weise wie die Berliner mit hauptamtlichen Sozialarbeitern Jugendliche und auch Hooligans betreuen. Zum Bedauern der Organisatoren hat jedoch das selbstorganisierte »Fan- Projekt« aus der potentiellen Pokalsiegerstadt Mönchengladbach abgesagt.

Die Jugendlichen, die in einem Zeltlager wohnen, werden bei dem Turnier von 14 bis 18 Uhr in der Charlottenburger Sportanlage Eichkamp wohl ganz schön ins Schwitzen geraten. Der vom Senator für Schule, Berufsbildung und Sport spendierte Wanderpokal für das Siegerteam wird am Samstag im Innenraum des Olympiastadions durch Jürgen Klemann (CDU) höchstselbst überreicht. Wanderpokal deshalb, weil das »Fan-Projekt« plant, das Turnier auch in den nächsten Jahres jedesmal vor dem Endspiel in Berlin zu wiederholen.

Beschlossen und in Fußballform abgerundet wird das Camp der Jugendlichen mit einem gemeinsamen Besuch des Endspieles.

Wer sonst noch auf die Zuschauertribüne will, wird wegen der Parkplatznot dringend darum gebeten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Eintrittskarte berechtigt ganztägig zur kostenlosen Mitfahrt in Bussen und Bahnen, die U1 wird vor und nach dem Spiel im Zweieinhalb-Minuten-Takt fahren. Und vom S-Bahnhof Grunewald fährt eine Sonderlinie zum Südtor des Olympiastadions. usche

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen