: Im Rausch der Texturen
■ Musikalische Bausteinmodelle und Ladezustände: Silo präsentieren im Hafenklang ihre Elektroversion von Postrock
Die Ordnung des Rausches und das Rauschen der Ordnung – die Nahtstelle zwischen expressiven und offenen Klangschichtungen im Rock und den ekstatisch-durchdringlichen Strukturen in der elektronischen Musik ist die Bruchlinie, die durch die Musikgeschichte des vergangenen Jahrhunderts führt.
Ein Riss, in dessen Spannungsbereich sich die nötige Chemie findet, um die Pole zu verbinden: Glenn Branca und Sonic Youth etwa stehen für Wahlverwandtschaften musikalischer Formen, aus denen neue, geschichtlich offene Formen entstanden. Formen, deren Gehalt den Moden zu widerstehen sucht und die wie in einem Zwischenspeicher eingelagert sind, um dann und wann als Baustein in den großen Kontext des kulturellen Prozesses eingefügt zu werden. Ein Speicher, der an Vorratshaltung erinnert, an die nötige Reserve, die bereit gehalten wird und Zeiten des Stillstands und der Stagnation überdauern soll: Ein Silo.
Silo heißt das Trio aus Dänemark, das seit sechs Jahren und zwei Alben versucht, im Sinne der kulturellen Zwischenspeicherung die alte Wahlverwandtschaft zwischen rauschender Ordnung und geordnetem Rausch zu bewahren, zu aktualisieren. Mikkel Bender, Frederik Ammitzbøll und Søren Dahlgaard erweitern nicht nur das Klangspektrum von Gitarre, Bass und Schlagzeug um die inzwischen hinlänglich bekannte Elektronik, sondern nehmen die Möglichkeiten des Elektronischen als das Prinzip einer musikalischen Ordnung, als Medium, Vermittelndes, um darin Muster und Versatzstücke, Fragmente und Splitter von Rock einzulagern.
Silo ist dabei auch Speicher, der gleich einer Batterie verschiedene Stufen von Energie festhält. In den Texturen, die dabei entstehen, dichter werden, aber gleichsam dezent bleiben, spielt Ladung und Entladung eine Rolle. Wie auf dem Cover des neuen Silo-Albums Alloy Natur und Technik kontrastiert werden, ein Rasenfeld mit Glühlampen zum Energiefeld wird; ein Ordnungsraster, das durch den Rausch der Natur belebt wird . Dieses Bausteinmodell von Musik ist eine Elektroversion von Postrock; auch deshalb spielten Silo schon vor GYBE!, Pole, Sigur Ros und Trans Am. Roger Behrens
Sonntag, 21 Uhr, Hafenklang
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