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Im OECD-VergleichMehr Armut in Deutschland

Die Armutsquote hat sich in Deutschland fast verdoppelt: Betroffen sind vor allem Alleinerziehende und Kinder. Auch die Einkommensschere geht immer weiter auseinander.

Auch die Kinderarmut ist in Deutschland stärker gewachsen als anderswo. Bild: dpa

Armut und Einkommensungleichheit haben in Deutschland seit dem Jahr 2000 deutlich zugenommen - und zwar stärker als in allen anderen Industriestaaten der OECD. Aber, Achtung, bei diesem Negativrekord handelt es sich um eine relative Aussage. Absolut gesehen ist die Armut in Mexiko oder in der Türkei weit höher. Doch Deutschland ist inzwischen Negativbeispiel, wenn es um die Geschwindigkeit geht, mit der Armut und Einkommensungleichheit zugelegt haben. Dies geht aus einer OECD-Studie hervor, die am Dienstag in Paris vorgestellt wurde.

Zwischen 1985 und 2005 hat sich die Armutsquote fast verdoppelt - von 6 auf 11 Prozent. Damit liegt Deutschland inzwischen bei der Einkommensarmut sogar schon über dem OECD-Durchschnitt. Allerdings geht die OECD davon aus, dass nur Haushalte arm sind, denen weniger als 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung stehen. Das ist ein sehr strenger Armutsbegriff, der die Zahl der Armen nach unten drückt.

Alleinerziehende und Kinder sind besonders betroffen, Rentner eher selten. Auffallend: Langzeitarmut von drei und mehr Jahren ist in Deutschland die Ausnahme. Nur zwei bis drei Prozent der Bevölkerung sind dauerhaft arm, was der Hälfte des OECD-Durchschnitts entspricht. Nur in Dänemark und den Niederlanden gibt es noch weniger Langzeitarme.

Die Steuer- und Sozialpolitik in Deutschland ist allerdings keine besonders große Hilfe; sie hat den Trend nicht bremsen können, dass die Armut zunimmt und die Einkommen ungleicher werden. Denn viele Maßnahmen helfen nicht gezielt den Ärmsten, sondern werden breit über die Bevölkerung gestreut. "Da gibt es für Deutschland noch hohes Optimierungspotenzial", sagte OECD-Experte Michael Förster bei der Vorstellung der Studie.

Neben der Armut hat die OECD auch die Einkommensungleichheit gemessen, die im sogenannten Gini-Koeffizienten ausgedrückt wird, wobei 0 für absolute Gleichheit steht und 1 für maximale Ungleichheit.

Lange Zeit waren die Einkommensunterschiede in Deutschland im Vergleich mit den anderen 29 OECD-Staaten eher gering, doch seit 2000 ist die Einkommensschere stark auseinandergegangen. Dafür hat die OECD drei Erklärungen ausgemacht: Die Realeinkommen der meisten Angestellten stagnieren, während die Spitzenverdiener ihre Einkünfte überproportional steigern konnten.

Zudem hat die Zahl der Singlehaushalte stark zugenommen - was automatisch zu statistischen Verzerrungen führt, weil berücksichtigt wird, dass sie weniger Einsparmöglichkeiten haben als Mehrpersonenhaushalte. Und drittens ist da natürlich die Arbeitslosigkeit, wobei Deutschland durch einen weiteren Negativrekord auffällt: 19 Prozent aller Haushalte verfügen über gar kein Erwerbseinkommen - das ist der höchste Wert innerhalb der OECD.

Die Daten der OECD reichen nur bis zum Erhebungsjahr 2005, doch zumindest für Deutschland gibt es noch jüngere Erkenntnisse aus dem Sozio-ökonomischen Panel. Dort zeigt sich, dass der Trend der wachsenden Einkommensungleichheit 2006 durch den Boom gestoppt werden konnte, weil viele Arbeitslose wieder eine Stelle gefunden haben und auch die Tariflöhne stiegen. Doch dieser Effekt wird nur vorübergehend sein. Mit dem erwarteten Abschwung dürfte sich die Tendenz wieder verstärken, dass in Deutschland Armut und Einkommensungleichheit zunehmen.

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12 Kommentare

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  • M
    Mistral

    Das Schlimmste ist, dass man sich offensichtlich an diese skandalösen Zustände gewöhnt zu haben scheint. OECD-Studien, Armutsbericht des Bundes, Berichte der Hans-Böckler-Stiftung, das SOEP des DIW usw.

     

    In allen diesen Studien wird von dem Auseinanderdriften der Einkommen und somit der immer geringeren volkswirtschaftlichen Teilhabe zunehmend größerer Bevölkerungsschichten gesprochen. Und kaum jemanden scheint das noch zu jucken! Schlimm!

  • A
    Axel

    Eine Politik, die für Bankenrettung mal eben, in kürzestere Zeit und ohne Diskussionen und Absicherungen Milliarden locker macht, aber die letzte Renten"erhöhung" um 1%, die damit unter der Inflationsrate lag und defacto einer -kürzung entsprach, in der Öffentlichkeit als unangemessen diskutierte und für Hartz4, Minilöhne, Kinder- und Altersarmut etc. verantwortlich ist, ist unsozial und festzumachen an CDU/CSU, SPD und Grünen.

    Solange statt Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Rentnern und Studenten nur das "große Geld" zählt, kann nur über die Geschwindigkeit dieser Armutsentwicklung diskutiert werden. Die Umverteilung von unten nach oben ist weiter in vollem Gange.

  • N
    Nadi

    Deutschland ist inzwischen Negativbeispiel, wenn es um die Geschwindigkeit geht, mit der Armut und Einkommensungleichheit zugelegt haben. (Zitat)

     

    Die schlimme Frage ist doch, wie lange soll das so weiter gehen? Die Politik macht blind, was Wirtschaftsverbände sagen. Die predigten immer auch freie Märkte und schwärmenten von Wall Street und der City (London). Alleine das Hilfspaket an die Banker kostet Tausende Investitionsprojekte und reist fast alle Landeshaushalte ins Minus.

     

    Ich habe die böse Vorahnung, dass diese Kosten auch bei den Armen abgefischt werden. Dann werden eben noch ein paar Millionen mit Hartz-V und VI bedacht. Wenn das nicht reicht kommt eben VII und VIII. Sozialpolitik wird jetzt nach Kassenlage (Seehofer) gemacht. Präventive Sozialpolitik nur andersherum erledigt: Auch in Zukunft ist dafür gesorgt, dass es viele Arme gibt. Ein paar gehen sogar einer Arbeit nach und müssen dennoch ALG II beziehen. Dass all die Leute ab 2020 und 2030 Armutsrentner werden, die dann Sozialgeld beziehen und vielleicht ihre Wohngegend nach Leergut absuchen, steht auf einem anderen Blatt.

     

    In Deutschland muss es eine Kehrtwende geben. Diese Verarmung hat viel mit Hartz-IV, Leih- und Zeitarbeit zu tun. Der Staat erhält von jedem Armutsarbeiter auch weniger Steuern. Wenn keiner Geld ausgeben will, gehen lokal viele Betriebe pleite.

     

    Und es wandern immer mehr Deutsche aus. Die bringen sich in Sicherheit vor der Verarmung und der Arbeitslosigkeit. Während in Deutschland Leute ab 45 oder 50 in Sorge sind, dass sie rausgeworfen werden, sind diese Leute an anderen Orten gerade wegen ihrer Erfahrung und ihres Könnens gefragt. Es gibt momentan einen Aderlas an qualifizierten Leuten und die wenigsten von denen wollen in diesen Arbeitsmarkt zurück.

    Viele werden sogar vom Arbeitsamt selber nach Dänemark oder Norwegen gebracht.

    In der Politik passt nichts mehr zusammen. Diese Regierung lenkt nichts, gibt aber Milliarden jetzt für Banken aus und gesteht gescheirterten Bankmanagern ab Saläre bis zu €500000 zu.

     

    So eine Politik muss arm machen.

  • A
    Anton

    Die Steuer - und Sozialpolitik läßt Menschen verarmen. Allein in der rot-grünen Regierungszeit hat Kinderarmut um 1 Million zugenommen.ganz zu schweigen von der sogen. Arbeitsmarktpolitik. Stichworte: Hartz 4, Leiharbeit, Niedrigstlohn...Politik ist es, die Menschen arm macht, und keine ominösen, namenlosen Mächte. Stichwort Armuts-Agenda-2010.

  • M
    Mistral

    Das Schlimmste ist, dass man sich offensichtlich an diese skandalösen Zustände gewöhnt zu haben scheint. OECD-Studien, Armutsbericht des Bundes, Berichte der Hans-Böckler-Stiftung, das SOEP des DIW usw.

     

    In allen diesen Studien wird von dem Auseinanderdriften der Einkommen und somit der immer geringeren volkswirtschaftlichen Teilhabe zunehmend größerer Bevölkerungsschichten gesprochen. Und kaum jemanden scheint das noch zu jucken! Schlimm!

  • A
    Axel

    Eine Politik, die für Bankenrettung mal eben, in kürzestere Zeit und ohne Diskussionen und Absicherungen Milliarden locker macht, aber die letzte Renten"erhöhung" um 1%, die damit unter der Inflationsrate lag und defacto einer -kürzung entsprach, in der Öffentlichkeit als unangemessen diskutierte und für Hartz4, Minilöhne, Kinder- und Altersarmut etc. verantwortlich ist, ist unsozial und festzumachen an CDU/CSU, SPD und Grünen.

    Solange statt Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Rentnern und Studenten nur das "große Geld" zählt, kann nur über die Geschwindigkeit dieser Armutsentwicklung diskutiert werden. Die Umverteilung von unten nach oben ist weiter in vollem Gange.

  • N
    Nadi

    Deutschland ist inzwischen Negativbeispiel, wenn es um die Geschwindigkeit geht, mit der Armut und Einkommensungleichheit zugelegt haben. (Zitat)

     

    Die schlimme Frage ist doch, wie lange soll das so weiter gehen? Die Politik macht blind, was Wirtschaftsverbände sagen. Die predigten immer auch freie Märkte und schwärmenten von Wall Street und der City (London). Alleine das Hilfspaket an die Banker kostet Tausende Investitionsprojekte und reist fast alle Landeshaushalte ins Minus.

     

    Ich habe die böse Vorahnung, dass diese Kosten auch bei den Armen abgefischt werden. Dann werden eben noch ein paar Millionen mit Hartz-V und VI bedacht. Wenn das nicht reicht kommt eben VII und VIII. Sozialpolitik wird jetzt nach Kassenlage (Seehofer) gemacht. Präventive Sozialpolitik nur andersherum erledigt: Auch in Zukunft ist dafür gesorgt, dass es viele Arme gibt. Ein paar gehen sogar einer Arbeit nach und müssen dennoch ALG II beziehen. Dass all die Leute ab 2020 und 2030 Armutsrentner werden, die dann Sozialgeld beziehen und vielleicht ihre Wohngegend nach Leergut absuchen, steht auf einem anderen Blatt.

     

    In Deutschland muss es eine Kehrtwende geben. Diese Verarmung hat viel mit Hartz-IV, Leih- und Zeitarbeit zu tun. Der Staat erhält von jedem Armutsarbeiter auch weniger Steuern. Wenn keiner Geld ausgeben will, gehen lokal viele Betriebe pleite.

     

    Und es wandern immer mehr Deutsche aus. Die bringen sich in Sicherheit vor der Verarmung und der Arbeitslosigkeit. Während in Deutschland Leute ab 45 oder 50 in Sorge sind, dass sie rausgeworfen werden, sind diese Leute an anderen Orten gerade wegen ihrer Erfahrung und ihres Könnens gefragt. Es gibt momentan einen Aderlas an qualifizierten Leuten und die wenigsten von denen wollen in diesen Arbeitsmarkt zurück.

    Viele werden sogar vom Arbeitsamt selber nach Dänemark oder Norwegen gebracht.

    In der Politik passt nichts mehr zusammen. Diese Regierung lenkt nichts, gibt aber Milliarden jetzt für Banken aus und gesteht gescheirterten Bankmanagern ab Saläre bis zu €500000 zu.

     

    So eine Politik muss arm machen.

  • A
    Anton

    Die Steuer - und Sozialpolitik läßt Menschen verarmen. Allein in der rot-grünen Regierungszeit hat Kinderarmut um 1 Million zugenommen.ganz zu schweigen von der sogen. Arbeitsmarktpolitik. Stichworte: Hartz 4, Leiharbeit, Niedrigstlohn...Politik ist es, die Menschen arm macht, und keine ominösen, namenlosen Mächte. Stichwort Armuts-Agenda-2010.

  • M
    Mistral

    Das Schlimmste ist, dass man sich offensichtlich an diese skandalösen Zustände gewöhnt zu haben scheint. OECD-Studien, Armutsbericht des Bundes, Berichte der Hans-Böckler-Stiftung, das SOEP des DIW usw.

     

    In allen diesen Studien wird von dem Auseinanderdriften der Einkommen und somit der immer geringeren volkswirtschaftlichen Teilhabe zunehmend größerer Bevölkerungsschichten gesprochen. Und kaum jemanden scheint das noch zu jucken! Schlimm!

  • A
    Axel

    Eine Politik, die für Bankenrettung mal eben, in kürzestere Zeit und ohne Diskussionen und Absicherungen Milliarden locker macht, aber die letzte Renten"erhöhung" um 1%, die damit unter der Inflationsrate lag und defacto einer -kürzung entsprach, in der Öffentlichkeit als unangemessen diskutierte und für Hartz4, Minilöhne, Kinder- und Altersarmut etc. verantwortlich ist, ist unsozial und festzumachen an CDU/CSU, SPD und Grünen.

    Solange statt Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Rentnern und Studenten nur das "große Geld" zählt, kann nur über die Geschwindigkeit dieser Armutsentwicklung diskutiert werden. Die Umverteilung von unten nach oben ist weiter in vollem Gange.

  • N
    Nadi

    Deutschland ist inzwischen Negativbeispiel, wenn es um die Geschwindigkeit geht, mit der Armut und Einkommensungleichheit zugelegt haben. (Zitat)

     

    Die schlimme Frage ist doch, wie lange soll das so weiter gehen? Die Politik macht blind, was Wirtschaftsverbände sagen. Die predigten immer auch freie Märkte und schwärmenten von Wall Street und der City (London). Alleine das Hilfspaket an die Banker kostet Tausende Investitionsprojekte und reist fast alle Landeshaushalte ins Minus.

     

    Ich habe die böse Vorahnung, dass diese Kosten auch bei den Armen abgefischt werden. Dann werden eben noch ein paar Millionen mit Hartz-V und VI bedacht. Wenn das nicht reicht kommt eben VII und VIII. Sozialpolitik wird jetzt nach Kassenlage (Seehofer) gemacht. Präventive Sozialpolitik nur andersherum erledigt: Auch in Zukunft ist dafür gesorgt, dass es viele Arme gibt. Ein paar gehen sogar einer Arbeit nach und müssen dennoch ALG II beziehen. Dass all die Leute ab 2020 und 2030 Armutsrentner werden, die dann Sozialgeld beziehen und vielleicht ihre Wohngegend nach Leergut absuchen, steht auf einem anderen Blatt.

     

    In Deutschland muss es eine Kehrtwende geben. Diese Verarmung hat viel mit Hartz-IV, Leih- und Zeitarbeit zu tun. Der Staat erhält von jedem Armutsarbeiter auch weniger Steuern. Wenn keiner Geld ausgeben will, gehen lokal viele Betriebe pleite.

     

    Und es wandern immer mehr Deutsche aus. Die bringen sich in Sicherheit vor der Verarmung und der Arbeitslosigkeit. Während in Deutschland Leute ab 45 oder 50 in Sorge sind, dass sie rausgeworfen werden, sind diese Leute an anderen Orten gerade wegen ihrer Erfahrung und ihres Könnens gefragt. Es gibt momentan einen Aderlas an qualifizierten Leuten und die wenigsten von denen wollen in diesen Arbeitsmarkt zurück.

    Viele werden sogar vom Arbeitsamt selber nach Dänemark oder Norwegen gebracht.

    In der Politik passt nichts mehr zusammen. Diese Regierung lenkt nichts, gibt aber Milliarden jetzt für Banken aus und gesteht gescheirterten Bankmanagern ab Saläre bis zu €500000 zu.

     

    So eine Politik muss arm machen.

  • A
    Anton

    Die Steuer - und Sozialpolitik läßt Menschen verarmen. Allein in der rot-grünen Regierungszeit hat Kinderarmut um 1 Million zugenommen.ganz zu schweigen von der sogen. Arbeitsmarktpolitik. Stichworte: Hartz 4, Leiharbeit, Niedrigstlohn...Politik ist es, die Menschen arm macht, und keine ominösen, namenlosen Mächte. Stichwort Armuts-Agenda-2010.