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Im Nahen Osten mischt der BND via Tarnfirmen überall mit

■ Mit der Lieferung von Militärelektronik, Nachrichtentechnik und Ausbildungshilfe an Irak, Iran, Libyen und Ägypten behält der Bundesnachrichtendienst die Kontrolle über den Nahen Osten. Die Exporte über Telemit und andere Tarnfirmen erfolgten zumeist mit Genehmigung der zuständigen Bundesbehörden. Genscher schiebt indes die Verantwortung für die Aufrüstung des Irak auf die Firmen ab.

Deutsche Geschäfte

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist nicht nur in Rüstungslieferungen und Ausbildungshilfe für den Irak verstrickt (siehe Seite 3). Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, daß er auch hinter Geschäften der Münchner Firma Telemit steckt, die mindestens seit den siebziger Jahren völlig unbehelligt von bundesdeutschen Behörden modernste militärelektronische Anlagen und Nachrichtentechnik an den Irak und dessen Kriegsgegner Iran, ebenso Libyen und Ägypten lieferte. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher kritisierte am Wochenende die bundesdeutschen Firmen scharf, die „unter Bruch bestehender Gesetze“ Kriegsmaterial an den Irak geliefert hätten. Tatsächlich wurden die meisten der Lieferungen von der dem Bundeswirtschaftsministerium unterstehenden Behörde nicht nur stillschweigend geduldet, sondern sogar mit offiziellen Ausfuhrgenehmigungen versehen.

Zwischen der Firma Telemit und dem lange Jahre als Kontaktmann zum irakischen Geheimdienst und der Regierung in Bagdad fungierenden Agenten Abdul Moneim Jebara gibt es enge Verbindungen. Nachweislich sind zwischen Telemit und Jebara große Geldsummen geflossen, nach Zeugenaussagen angeblich in Verbindung mit Telemit-Irak-Geschäften. In Jebaras Münchner Strafverfahren wurde seine Rolle in der Telemit-Affäre jedoch nie ganz geklärt.

Im Frühjahr 1989 enthüllte das TV-Magazin Panorama, der Nato-Lieferant Telemit sei in libysche Hände geraten; die beiden Gesellschafter, die Telemit AG im schweizerischen Glarus und die Jubel Trust in Liechtenstein, seien von libyschem Kapital unterwandert worden. Keine guten News in einem Frühling, in dem Bonn noch vor den Nachbeben der Rabta -Affäre bibberte. Schließlich belieferte die auf Nachrichtentechnik und Elektronik spezialisierte Firma die Bundeswehr ebenso wie andere Nato-Streitkräfte mit Militärtechnologie der Spitzenklasse und besaß auch eine entsprechende Klassifizierung aus Bonn. Tatsächlich hatte Telemit für mehrere Millionen Mark sensible Militärelektronik nach Libyen geliefert, ja dort sogar eine ganze Fabrik für die Produktion von Funkgeräten gebaut.

Auch die Konkurrenz wurde bedient: In den siebziger Jahren soll Telemit genau dieselben Anlagen zur elektronischen Kriegführung nach Ägypten verschoben haben, die der US -Hersteller RCA zuvor an Israel geliefert hatte. Adressiert waren die Sendungen an die ägyptische Staatsbahn. Anfang der 80er Jahre baute Telemit als Generalunternehmerin in Libyen 46 Kommandobunker mit allem nachrichtendienstlichen Drum und Dran. Geschäftsvolumen: 200 Millionen DM.

Ärger mit den Behörden brauchte Telemit dabei nie zu fürchten: Offenbar benutzte der Bundesnachrichtendienst die Firma nicht nur zur Nachrichtenbeschaffung, sondern auch zur Abwicklung verdeckter Geschäfte mit diversen Kunden im Nahen Osten, die man wegen der politischen Lage nicht offen durchführen konnte. Die Belieferung „feindlicher“ oder „terroristischer“ Regimes durch eigene Geheimdienste oder deren Tarnfirmen mit sensibler Nachrichtentechnik entbehrt nicht einer gewissen Logik: wer Radargeräte, Funkanlagen und Abwehrsysteme baut und liefert, der besitzt notwendigerweise auch die dazugehörigen Codifizierungs- und Entschlüsselungssysteme. Das heißt: Überall, wo Firmen wie die Telemit Militärelektronik hinliefert, hat auch der BND sein Ohr drin.

So auch im Irak und im Iran. In beide Länder (ebenso wie nach Libyen) vermittelte Telemit Telefon- und Telexabhöranlagen. Wobei die Anlage in Bagdad mittlerweile unter mysteriösen Umständen in die Luft flog. Mit Überraschung und Neid registrierten Konkurrenzfirmen im Raum München während des Golfkrieges immer wieder, daß ausgerechnet die Telemit immer wieder Exportgenehmigungen für Militärtechnik in beide Kriegsländer erhielt. So berechnete Telemit etwa am 2. Februar 1985 (Rechnungsnummer WV 02/750083/85) der „D.G. of Military Accounts, Baghdad, Iraq“ 3.717.000.- Mark für 5.000 Feldtelefone. Mit Kommunikationstechnik aus München wurde auch der Kriegsgegner beglückt: Im März 1986 stempelten die Exportwächter des Bundesamtes für Außenwirtschaft in Eschborn anstandslos die Ausfuhrgenehmigung Nr. 0325954 ab. Die Ware: „Baugruppen, Bauteile und Zubehör für Sende -/Empfangsanlagen RT-841/GY“ im Wert von über 16 Millionen Mark für den Iran. In einem anderen, 83 Millionen schweren Deal mit dem Iran waren gar 35-Mann-Monate Ausbildung in München eingeschlossen. Mitten im Krieg konnte Telemit iranische Soldaten an Nato-Gerät in München schulen. Ohne politische Absicherung, da waren sich die Neider in der Branche einig, waren solche Geschäfte nicht möglich. Es gibt Indizien, wonach BND und MAD mit eigenen Mitarbeitern in der Telemit-Geschäftsleitung präsent waren - und bis heute sind.

Geschäftsbeziehungen unterhielt die Telemit auch zur Sicherheitsfirma Telsys KG, die in großem Umfang „Sicherheitstechnik“ an die „D.G. Security“ in Bagdad lieferte. Als ein Telsys-Manager seinem Geschäftsfreund Jebara einmal klagte, der BND habe ihn beschattet und sogar anzuwerben versucht, verwies Jebara den Geplagten an einen alten Freund - Herrn Schmutterer vom bayerischen Landeskriminalamt. Die Beschattung wurde eingestellt.

Thomas Scheuer

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