piwik no script img

Im Land der politischen Leichen

Surrealer Präsidentschaftswahlkampf in Simbabwe: Die Opposition hat nicht einmal ein Telefon, ihre Führer sind mindestens 70 Jahre alt, und Amtsinhaber Robert Mugabe gewinnt sowieso  ■ Aus Harare Kordula Doerfler

Am verwitterten Holztor hängt ein kleiner weißer Zettel. Nur wer ganz nah herangeht, kann lesen, was darauf steht: „Zanu-Ndonga“ in krakeliger Handschrift. Hinter dem Tor, in einem heruntergekommenen Garten, rostet das Wrack eines VW-Busses vor sich hin. In der Mitte des Gartens steht ein kleines Einfamilienhaus. Im ersten Raum sitzen ein paar Männer jeden Alters und stempeln fieberhaft Wahlmaterial. Ein Telefon gibt es nicht. Wer Fragen hat, muß persönlich herkommen.

Die Zanu-Ndonga – eine regionale Abspaltung von Simbabwes Regierungspartei „Zanu-Patriotische Front“ – ist mit zwei von 150 Parlamentssitzen die größte Oppositionspartei. Ihre Zentrale am Stadtrand von Harare ist so armselig wie ihre parlamentarische Vertretung – und wie ihr Programm.

Das Büro ihres Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am kommenden Wochenende liegt hinten. Ein kahler, dunkelgrau gestrichener Raum mit einem alten Holzschreibtisch. Im dämmrigen Spätnachmittagslicht ist Reverend Ndabanigi Sithole kaum zu sehen. Der alte Mann spricht anfangs mit leicht zittriger Stimme, gewinnt jedoch im Laufe des Gesprächs an Festigkeit. Die braucht er auch, denn er hat sich Großes vorgenommen: Der 76jährige will den seit der Unabhängigkeit Simbabwes regierenden Robert Mugabe (72) nach sechzehn Jahren Amtszeit ablösen.

Ohne Geld und ohne Apparat

Sithole war 1963, zu britischen Kolonialzeiten, der Gründer der „Afrikanischen Nationalunion von Simbabwe“ (Zanu), die gegen die Kolonialherrschaft und später gegen die weiße Siedlerrepublik Rhodesien kämpfte. Er wurde in den siebziger Jahren von der Zanu-Basis unter Führung von Mugabe entmachtet, während er in Haft saß. Nun will Sithole seinen einstigen Kampfgefährten und erfolgreichen Rivalen neu herausfordern. Ohne Geld, ohne Apparat, ohne Wahlkampfmittel. Mugabes Zanu-PF hat sich durch Verfassungsänderungen alle Pfründen gesichert. Fünf Millionen Mark aus dem Staatshaushalt stehen ihr per Gesetz als Wahlkampfmittel zur Verfügung, die Opposition geht leer aus. Bei den Parlamentswahlen im letzten April gewann Mugabes Partei 147 der 150 Sitze. Sitholes Zanu-Ndonga bekam zwei, eine unabhängige Kandidatin gewann den letzten Sitz.

Sithole greift die Regierung scharf an: Die Menschen hungern, die Preise steigen ebenso wie die Arbeitslosigkeit. Aber er hat keine ernsthafte Alternative zu bieten. „Wir gehen durch das Land und sagen den Leuten, daß sie nicht Mugabe wählen sollen, weil er das Land zerstört hat“, sagt er. Was würde er anders machen? Jeder Familie will er umgerechnet hundert Mark im Monat geben und ein Stück Land, auf dem sie Ackerbau treiben muß. Wo das Geld dafür herkommen soll? Von der internationalen Gebergemeinschaft und aus „Regierungsquellen“. „Eine Regierung muß die Familie unterstützen, denn jede Familie ist eine Fabrik, die für die Gesellschaft produziert. Das hat die jetzige Regierung leider nicht erkannt.“ Am Ende des Gesprächs bittet Sithole um finanzielle Unterstützung.

Die Suche nach Mugabes Herausforderern gleicht der nach der Stecknadel im Heuhaufen. Auch die simbabwischen Medien wissen nicht, wo Kandidat Nummer zwei zu finden ist. Die Vereinigte Methodistenkirche von Simbabwe weiß nur, daß er bei ihr nicht mehr arbeitet. Aber hat er nicht ein Büro, irgendwo in der Innenstadt?

Das Büro der „Vereinigten Parteien“ liegt im dritten Stock eines heruntergekommenen Bürogebäudes am südlichen Ende der City, da, wo das schwarze Harare anfängt. Ein Telefon gibt es auch hier nicht. Im Vorzimmer tippt eine Sekretärin auf einer uralten Schreibmaschine Briefe, während freiwillige Helfer handschriftlich das Wahlprogramm korrigieren. Im eigentlichen Büro von Bischof Abel Muzorewa sitzen ein paar alte Männer herum. Nur der Kandidat ist nicht da, und es weiß auch niemand, wann er kommt. Ob er zu Hause ist? Ratloses Achselzucken. Erst beim vierten Besuch ist der Bischof anwesend.

Abel Muzorewa ist ebenfalls ein alter Mann. Der 70jährige leitete 1979 bis 1980 die von London eingesetzte Übergangsregierung, die die weiße Alleinherrschaft beendete und mit den ersten freien Wahlen das unabhängige Simbabwe schuf. Bei den Wahlen 1980 verlor Muzorewa haushoch gegen Mugabe. Noch heute trägt der 70jährige seine scharlachrote Robe aus dieser Zeit. Die Ränder sind aufgestoßen, an vielen Stellen ist der Stoff brüchig. Auf seiner Visitenkarte steht „Retired but not tired“.

Im Vergleich zu Sithole wirkt Muzorewa geradezu vital. Die Regierung Mugabe hat ihre Versprechen nicht wahrgemacht, glaubt auch er. In Simbabwe gebe es mehr Armut und eine höhere Arbeitslosigkeit als je zuvor, die Pressefreiheit und Menschenrechtsorganisationen würden unterdrückt. „Ich will diese Situation ändern“, sagt der Bischof. Er ist fest von seinem Sieg überzeugt: „Was im Denken des Menschen unmöglich erscheint, wird durch Gott möglich.“

Die alten Männer von Simbabwe leiden unter Realitätsverlust. Zwar machen sowohl Sithole als auch Muzorewa Wahlkampf – auf eigene Kosten, versteht sich –, doch dessen Reichweite ist äußerst begrenzt. In den staatlich kontrollierten Medien findet nur der Wahlkampf des Genossen Mugabe statt, der mit drei aus dem Staatshaushalt finanzierten Hubschraubern herumreist und sich als Befreier feiern läßt. Es besteht kein Zweifel daran, daß der alte Präsident der neue sein wird.

„Die Wahl ist lediglich ein Feigenblatt“

Von ihrer glorreichen Vergangenheit kommen die alten Männer nicht los. Zumindest Mugabe will es auch gar nicht. Seitenfüllende Leitartikel in den Zeitungen hämmern der Jugend ein, niemals die Ideale des Befreiungskampfes zu vergessen. Weniger ruhmreich in der offiziellen Wahlpropaganda ist die Vergangenheit der Gegenkandidaten. Muzorewa wird angelastet, mit den Weißen kollaboriert zu haben. Sithole ist angeklagt, in ein Attentat auf den Präsidenten verwickelt gewesen zu sein. Jetzt ist er auf Kaution frei, der Prozeßbeginn wurde großzügigerweise auf Ende April verschoben.

Eine wirkliche Alternative zu Mugabe gibt es nicht bei dieser Wahl, und das weiß auch jeder. Eine, die vielleicht das Zeug zur Präsidentin hätte, ist noch zu jung. Die Verfassung schreibt vor, daß man mindestens 40 Jahre alt sein muß, um zu kandidieren. Margaret Dongo ist erst 36. Vor drei Wochen hat die Politikerin zum Wahlboykott aufgerufen und die beiden alten Männer aufgefordert, ihre Kandidatur zurückzuziehen. „Die Wahl ist lediglich ein Feigenblatt, um der internationalen Gebergemeinschaft zu beweisen, daß Simbabwe ein demokratisches Land ist.“

Auch Margaret Dongo zählte lange als verdiente Freiheitskämpferin zu Simbabwes Establishment. 1990 zog sie zuerst ins Parlament ein – und verärgerte ihre Zanu-Genossen zutiefst, indem sie ihnen vorwarf, sich nur selbst zu bereichern. Nach den Wahlen 1995 wies sie massive Manipulation in ihrem Wahlkreis Harare-Süd nach. Die Regierungspartei verzieh ihr das nicht und warf sie hinaus. In einer gerichtlich erkämpften Nachwahl gewann Dongo dennoch den Wahlkreis und sitzt heute als Unabhängige im Parlament. Sich in Simbabwe derart politisch zu exponieren, erfordert Mut.

Doch Margaret Dongo will nicht aufgeben. „Ich habe fünf Jahre im Busch gekämpft, ich weiß, was kämpfen heißt“, lacht sie. Ihr Haus liegt in ihrem Wahlkreis, in einem ehemaligen Township im Süden Harares. Es ist belebt: Unablässig klopfen während des Gesprächs Leute an der Haustür an. Zwei Tage in der Woche macht Margaret Dongo Wahlkreisarbeit. „Das ist ebenso wichtig wie die Arbeit im Parlament, denn das sind schließlich die Leute, die mich gewählt haben. Und sie haben dafür einiges riskiert.“ Riskieren tut jeder etwas, der es in Simbabwe wagt, den Mund aufzumachen.

Einer, der zu viel riskierte, sitzt heute ebenfalls tagsüber in seinem kleinen Township-Haus – allerdings nicht freiwillig. Anfang Februar wurde Trevor Ncube, Chefredakteur der einzigen unabhängigen Zeitung von Simbabwe, Financial Gazette, suspendiert. Der Grund: Ncube hatte einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuter gedruckt, in dem Mugabe vorgeworfen wurde, bei der Beerdigung des Königs von Lesotho versucht zu haben, sein Flugzeug vor dem von Nelson Mandela landen zu lassen. Die Regierung dementierte heftig, Reuter blieb jedoch dabei. Opfer wurde Ncube, der der Regierung schon lange mißfällt. Als die Suspendierungsfrist Ende Februar ablief, gab Ncube sich geschlagen und kündigte.

Was jetzt aus ihm wird, weiß Ncube nicht. „In diesem Land in die Politik zu gehen, heißt, seine gesamte gesellschaftliche Reputation aufs Spiel zu setzen – und seine Familie zu gefährden. Das heißt, wieder in den Krieg zu gehen“, sagt er. Bei anderen Medien zu arbeiten, ist ihm fast unmöglich, denn die werden alle vom Staat finanziert. Das Ende der publizistischen Unabhängigkeit der Financial Gazette ist auch schon eingeläutet. Seit Ncubes Suspendierung sind kritische Beiträge fast verschwunden, jeder Artikel, in dem Mugabes Name auftaucht, muß von Herausgeber Elias Rusike abgesegnet werden – und der ist Parteimitglied.

Obwohl die Regierungspartei über eine unangreifbare Mehrheit verfügt, geht sie hart gegen jegliche Opposition vor. Menschenrechtsorganisationen wie „Zim Rights“ und die „Katholische Kommission für Frieden und Gerechtigkeit“ werden regelmäßig öffentlich gegeißelt. Per Gesetz sollen jetzt regierungsunabhängige Organisationen staatlicher Kontrolle unterworfen werden. „Die Menschen hier leben in einem Klima von Angst und Einschüchterung“, sagt der Leiter von Zim Rights, David Chimhini. „Im Moment gibt es kaum eine Möglichkeit, die Regierung zu verändern.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen