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Im Garten Eden

Die fünfteilige Reihe „Indianer“ ist ein seltener Glücksfall: Sie dokumentiert die ersten Einwohner Amerikas, ohne sie romantisch zu verklären

Während das ZDF mit magellanischer Euphorie für seine Doku-Serie den „Sommer der Entdeckungen“ ausruft, geht die ARD in medias res und widmet sich ganz den Entdeckten selbst. Nicht versunkene Zivilisationen mit ihren sattsam bekannten Rätseln, sondern der Alltag lebendiger Kulturen steht im Mittelpunkt der ehrgeizigen Reihe „Indianer“, produziert vom Bayerischen Rundfunk und ambitioniert in Szene gesetzt von Gernot Schley.

Von den ersten Familienverbänden und Völkern, die über die zugefrorene Beringstraße den amerikanischen Kontinent besiedelten, folgt der Dokumentarfilmer den Spuren der ersten Einwohner – von den Inuit im ewigen Eis des Nordens bis zu den Aymara, ehemaligen Bundesgenossen der Inkas.

Es sind unaufdringliche Besuche tief im Dschungel, hoch in den Bergen oder weit draußen im Eis, Erkundungen an den entferntesten Außenposten einer Zivilisation, die bei ihrem Vorrücken unaufhaltsam die vorgefundenen Kulturen absorbiert – oder absorbiert wird. Wenn morgen früh im brasilianischen Regenwald ein Volk entdeckt wird, trägt es morgen nachmittag bereits T-Shirts „Fruit Of The Loom“. Und deshalb interessiert sich Schley nicht für Sioux oder Apachen in ihren traurigen Reservaten („Das sind eigentlich keine Indianer mehr, sondern Amerikaner“), sondern dokumentiert intakte soziale Enklaven. Dass er dabei der Versuchung widersteht, das Fremde mit romantischer Verklärung zu inszenieren, macht seine Serie zu einem lehrreichen Genuss: Auch Inuit würden Jacken aus Goretex tragen, wenn sie das Geld dafür hätten. In Kanadas unbequemen Norden fühlen sie sich auch deshalb wohl, weil sie hier nicht von der Sozialhilfe abhängig sind – sondern vom Meer und seinen Reichtümern.

Erfreulich zurückhaltend sind auch die Kommentare aus dem Off, und sogar die unvermeidliche Untermalung mit Ambient-Musik bleibt auf erträglichem Niveau. Althergebrachten Rituale und Bräuche werden dabei ebenso distanziert in Szene gesetzt wie die Anfeindungen der Zivilisation: Alkoholismus, Armut und der berüchtigte Verlust der Mitte“, den die Öffnung zur modernen Welt mit sich bringt. Es ist, im Spiegel betrachtet, auch die Geschichte unserer eigenen Entfremdung. Mit allen bitteren, wundervollen Nachteilen. ARNO FRANK

„Die Inuit – Volk in Eis und Schnee“ (Sa, 20.15 Uhr, ARD)

Weitere Themen jeden Samstag um 20.15 Uhr: „Die Katukina – Volk der Panther“ „Die Waiapi – Volk des Dschungels“ „Die Warao – Volk der starken Frauen“ „Die Aymara – Volk der Hochanden“

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