Im FC Bayern-Trainingslager: Oliver Kahn sagt nicht "Klinsmann"
Ein halsstarriger Oliver Kahn meidet im Trainingslager in Südspanien das Thema Klinsmann. Er träumt vielmehr davon, "mittelfristig" ganz ohne Fußball auszukommen.
MARBELLA taz Kein Tag ohne Klinsmann. Alle freuen sich, dass er kommt. Die beste Lösung für den FC Bayern und so weiter. Alle reden über ihn und sagen im gleichen Satz, dass sie eigentlich jetzt noch gar nicht darüber reden wollen.
Die Aufregung um den FC Bayern ist in diesen Tagen sehr groß. Es sind nicht nur die Medien, es ist auch der Klub, der dazu beiträgt. Ein bisschen Ruhe, ein bisschen Durchatmen wäre mal gut. Deshalb war es eine gute Entscheidung, der Presse gestern im Trainingslager von Marbella Oliver Kahn vorzusetzen. Er war gut gelaunt. Dabei hatte er nicht trainieren können. Hals verrenkt. Früher hätte ihn das aufgeregt.
Die Entscheidung des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann, aus Kahn die Nummer zwei unter Deutschlands Torhütern zu machen, hat den Menschen Kahn verändert. Der größte Tiefschlag seiner Karriere half ihm, sich langsam vom Fußball zu lösen, ihm das Verbissene zu nehmen, ihm etwas Lockerheit zu geben. Der Sturz vom Titanen-Thron schmerzt trotzdem noch. Aber Kahn geht damit souverän um. Er nimmt den Namen Klinsmann gar nicht erst in den Mund. Das ist die feine Klinge. Immer wieder gab es gestern Versuche, Kahn aus der Reserve zu locken. Irgendwann schaute er auf die Uhr: "Wir haben heute den 16. Januar 2008. Was soll ich über die kommende Saison sagen?"
Oliver Kahn weiß noch nicht genau, was er machen wird, wenn Klinsmann auch körperlich da ist. Er weiß nicht, ob er die EM im Fernsehen sehen wird. Er weiß nicht, ob er "noch einmal so etwas Anstrengendes" machen müsse wie in seinem bisherigen Berufsleben. Manager des FC Bayern München wäre solch ein aufreibender Job. Kahn lässt sich alle Optionen offen, auch einen Posten beim Rekordmeister: "Irgendwann." Kahn, 38, plant, sagt er, seine Zukunft "mittelfristig ohne Fußball". Nach 20 Jahren als Profi wird es einen Schnitt geben, dessen Tiefe der Torwart selbst noch nicht abzuschätzen weiß. Das letzte Halbjahr, vielleicht noch 30 Spiele - wenns gut läuft. Jetzt das letzte Trainingslager. Wehmut? "Nee, nee", grinste Kahn, "ich habe alles erlebt. Da kann es keine Wehmut geben." Kahn möchte auch nach dieser Saison wieder "auf dem Marienplatz stehen", um einen Titel zu feiern. Möglichst sogar drei. Es sei seine Aufgabe als Kapitän, die Mannschaft auf maximalen Erfolgskurs zu trimmen.
"Ich glaube, dass wir relativ souverän Meister zu werden", sagt Kahn. Fast wäre es ihm gelungen, auch einen zweiten Namen zu meiden, um den sich vieles drehte. Doch zur T-Frage, deren Antwort aus Kahn einen anderen Menschen machte, wollte er sich schon äußern. Ein Torwart wie Jens Lehmann, der im Verein nur die Nummer zwei ist, kann in der Nationalmannschaft nicht die Nummer eins sein, war die Botschaft. "Es wundert mich, dass der Jens nicht Spielpraxis sucht." Aber bei solchen Entscheidungen wie einem Vereinswechsel spielten ja auch andere Dinge eine Rolle als der Fußball, der Ehrgeiz, der Ruhm. Kahn zeigt Verständnis. Was soll er sich auch ernsthaft um die EM, um Lehmann und all das scheren, was ihn nichts mehr angehen wird.
Er hat als Fußballer nur noch einen Wunsch. Er möchte ein Tor schießen. "Vielleicht schaffe ich es ja am letzten Spieltag gegen Hertha BSC, 1:1, 90. Minute. Obwohl, nee, das hieße ja, dass wir nicht souverän Meister würden." Kahn lacht, lehnt sich zurück und dreht den Kopf. Weit kommt er nicht. Hals verrenkt. Ist halt so.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!