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Im Emotionsrausch

Ausgelassen feiert Köln den Sieg gegen Gladbach. Gleichzeitig gilt es Wogen zu glätten, nachdem ein Spieler Fans beleidigt hatte

Derbyatmosphäre: Köln jubelt in Mönchengladbach Foto: Gamba­rini/dpa

Aus Mönchengladbach Andreas Morbach

Rafael Czichos fuchtelte wild mit seiner rechten Hand, immer wieder. Alle Mitspieler mögen doch rasch zu ihm kommen, sollte die Geste des Kölner Innenverteidigers bedeuten. Es gab was zu feiern: Einen 2:1-Triumph beim rheinischen Rivalen Mönchengladbach – den die ganz in Rot gekleideten Domstädter auf Geheiß von Czichos dann auch lauthals bejubelten. In einem hüpfenden Freudenkreis, dessen Mitglieder immer wieder intonierten: „Derbysieger, Derbysieger!“

Vom Mittelkreis ging es in die südöstliche Ecke des Borussia-Parks. Dort, wo normalerweise die Gästefans stehen, rupfte Mittelfeldspieler Salih Özcan die Eckfahne aus der Erde und stülpte das Trikot des Doppeltorschützen Elvis Rexhbecaj über das Gladbacher Vereinswappen. Diese Trophäe trugen die Kölner Kicker noch ein bisschen durch die leere Arena – als triumphalen Konter an die Adresse von Gladbachs Marcus Thuram, der diese Jubelgeste zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Unter anderem nach dem Hinspielsieg in Köln-Müngersdorf.

„Das tut natürlich weh, wenn die Kölner mit der Eckfahne in unserem Stadion feiern. Aber wir haben es bei ihnen auch gemacht“, akzeptierte Gladbachs Christoph Kramer die hämische Geste. Passend dazu nutzte Gewinner-Coach Markus Gisdol die Gelegenheit für ein Bekenntnis. „Ganz ehrlich: Der Klub ist verrückt – aber ich liebe diesen Klub auch“, erklärte der gebürtige Schwabe und kommentierte die explosive Freude des gesamten Kölners Ensembles: „Wir sind alle Sportler und Trainer mit Leib und Seele. Und wenn ein Team so eine Leistung bringt, nach so einem verrückten Tag wie heute, dann lässt man den Gefühlen freien Lauf.“

Gisdols Hinweis auf den verrückten Tag war dabei auf einen Vorfall im Vorfeld der Partie gemünzt. Via Social Media war ein Video aus dem Kölner Mannschaftsbus verbreitet worden, in dem einer der Insassen die FC-Fans, die ihr Team mit Leuchtfackeln und Pyrotechnik nach Gladbach verabschiedet hatten, als „Spacken“ bezeichnet. Mittelfeldspieler Dominick Drexler gab sich am Samstagnachmittag in einem offiziellen Statement als Übeltäter zu erkennen – und entschuldigte sich „aufrichtig und von Herzen“.

Die Ultras des FC, die auch nach dem Derbysieg am Geißbockheim wieder mit Fackeln Spalier standen, hätten diese Entschuldigung am Samstagabend gerne persönlich von Drexler gehört, konnten den 30-Jährigen nach Ankunft des Mannschaftsbusses aber nicht entdecken. Und nachdem FC-Ikone Lukas Podolski („Unfassbar – wer seine eigenen Fans als ‚Spacken‘ bezeichnet, der hat dieses Trikot nicht verdient“) seine Meinung zu der Geschichte bereits am Spieltag aus der Türkei getwittert hatte, meldete sich am Sonntag auch Horst Heldt zu Wort.

„Der Klub ist verrückt – aber ich liebe diesen Klub auch“

Kölns Trainer Markus Gisdol

Es werde eine Strafe für Drexler und noch für einen weiteren Spieler geben, kündigte der FC-Manager an, den es auch verärgert hatte, dass das Video überhaupt an die Öffentlichkeit geraten war. Weil er den unberechenbaren Klub kennt, fügte Heldt zu seiner Bemerkung, das Ausmaß der Strafe solle intern bleiben, zwinkernd hinzu: „Das ist ja eine besondere Herausforderung beim 1. FC Köln.“

Die Herausforderung, den rheinischen Rivalen drei Tage nach dem eigenen Pokal-Aus bei Zweitligist Regensburg zu besiegen, hat das Team von Markus Gisdol auf jeden Fall bestanden. Durch zwei Treffer von Elvis Rexhbecaj – und dank defensiver Lässigkeiten, die sich die Gladbacher, für die Florian Neuhaus zwischenzeitlich ausglich, jeweils zu Beginn der beiden Halbzeiten leisteten.

Es war eine ungewollte Unterstützung für den rheinischen Konkurrenten im Abstiegskampf, aus der Chefcoach Gisdol eine weitere Liebeserklärung strickte, als er über den im Kosovo geborenen Rexhbecaj sagte: „Elvis ist einer der Jungs, die du als Trainer nur lieb haben kannst. Ich hatte vom ersten Moment an das Gefühl, dass er eigentlich ein Kölner ist.“

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