■ Schnittplatz: Im Auge des Klatsch-Orkans
Jede Branche klatscht gern, doch außer der Medienbranche hat es keine zu einer eigenen Klatschpublizistik gebracht. Die Organe dieser Gattung heißen Kress Report,textintern oder Kontakter und liegen in jeder Redaktion. Getarnt als Brancheninformationsdienste, bringen sie, süffisantest vorgetragen, fast nur Meldungen, wer warum wohin wechselt. Wichtigste Quelle: vertrauliche Kreise. Wo Medienleute auch aufeinandertreffen, wie bei den Münchner Medientagen, da raunen sie sich wie Trüffelschweine ihre exklusiven „Infos“ zu.
Als auf den Medientagen über „Lust und Leid der Prominenz“ diskutiert wurde, verhedderten sich mächtig die Ebenen von Medien- und Metaklatsch. Weil ausnahmsweise auch einmal das gemeine Volk zugelassen war, fand sich eine Reihe älterer Damen ein, die in der Hauptsache ein Autogramm von Hiltrud Schröder wollten. Und die Gesellschaftskolumnistin des führenden Boulevardblatts der Stadt genoß einmal selbst die Lust der Prominenz. Diese Dame, die sich zugute hält, eine „saubere“ Klatschkolumne zu führen, begründet ihre Berufswahl übrigens so: „Ich wollte Journalistin werden.“ Das darf in Zeiten, wo selbst der Sat.1-Wetterfrosch mit einem Presseausweis rumfuchtelt, nicht mehr beunruhigen.
Wobei die Funktionen von Wetter- und Klatschbericht nicht einmal weit auseinanderliegen. Was auch passiert, beider Anwesenheit beweist beruhigend, daß die Ordnung der Welt in ihren Grundfesten nicht zu erschüttern ist. Denn wer möchte bezweifeln, daß Klatsch und besonders Medienklatsch dem Abstecken der (Doppel-)Moralgrenzen in stürmischen Zeiten dient?
Wer sich einmal in das Auge des Klatsch-Orkans begeben hat, kommt nicht mehr heraus. Das ist die Tragik der Hiltrud Schröder, die virtuos zwischen den selbstreinigenden medienethischen Podien und den weichen Sofas der Boulevardblätter hin- und herpendelt. Gefragt, warum sie trotz gegenteiliger Ankündigung jüngst wieder die Seiten von Gala und Bunte füllte, legt sie den Mechanismus in einem Wort offen: „Ein Rückfall.“ lm
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