Illegale Vertragsabschlussgebühr: Ein Wohnungsunternehmen zockt ab
Die Grundstücksgesellschaft Nordelbe versucht mit illegalen Tricks, seinen Mieter*innen das Geld aus der Tasche zu ziehen. In Wilhelmsburg formiert sich Protest.
Im Kampf gegen den eigenen Vermieter riskiert man meistens viel, deshalb will Daniel Schmidt seinen richtigen Namen lieber nicht nennen. Er hat sich trotzdem entschlossen, sich mit anderen Mieter*innen gegen illegale Tricks der Grundstücksgesellschaft Nordelbe zu wehren. Das Unternehmen gehört zu den größten Wohnungseigentümern in Wilhelmsburg, seine Methoden sind, vorsichtig gesagt, fragwürdig.
Als Schmidt, der 2016 zur Untermiete in eine Wohnung in der Harburger Chaussee gezogen war, Hauptmieter werden wollte, verlangte die Nordelbe eine Gebühr von 155 Euro, einfach nur für das Abschließen des neuen Vertrags. So eine Vermittlungsgebühr oder „Vertragsabschlussgebühr“, wie sie bei Nordelbe heißt, widerspricht dem Wohnungsvermittlungsgesetz: Wer einen Vertrag abschließt, darf dafür keine Gebühr erheben. Die Geschäftsführerin des Mietrechtvereins „Mieter helfen Mietern“, Sylvia Sonnemann, erklärt: „Das ist, wie wenn der Bäcker Ihnen beim Verkauf der Brötchen eine Gebühr für die Vermittlung der Brötchen erhebt.“
Schmidt und seine Mitbewohner*innen ließen sich mietrechtlich beraten, gingen zur Stadtteilinitiative Wilhelmsburg Solidarisch und setzten schließlich ein Schreiben auf, indem sie ihre Vermieter*innen darauf hinwiesen, dass die Vertragsabschlussgebühr rechtswidrig ist, und das Geld zurückforderten. „Zwei Wochen später hatten wir den Betrag kommentarlos auf unserem Konto“, sagt Schmidt.
Außerdem verlangte die Nordelbe von der Wohngemeinschaft (WG) sofort nach Vertragsabschluss die erste Warmmiete plus eine Kaution von drei Kaltmieten, alles auf einen Schlag. Vorher würden die neuen Mieter*innen den Schlüssel nicht bekommen, so die Ansage der Vermietergesellschaft. Die WG widersprach, denn auch das verstößt gegen geltendes Mietrecht. Mieter*innen haben das Recht, die Kaution in drei gleichen Raten innerhalb von drei Monaten zu zahlen. Das habe sogar in dem Mietvertrag gestanden, sagt Schmidt.
Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von „Mieter helfen Mietern“
Die Sachbearbeiterin habe daraufhin lediglich gesagt: „Wir machen das anders.“ Erst als Schmidt drohte, einen Anwalt einzuschalten, habe die Nordelbe eingelenkt. Das Wohnungsunternehmen selbst wollte sich auf Anfrage der taz nicht äußern. Für Sylvia Sonnemann gehören solche Geschichten zum Alltag. „Das ist das ganz normale Vermietergebahren auf dem angespannten Wohnungsmarkt“, sagt sie. „Es ist ein Machtgefälleproblem: So, wie der Wohnungsmarkt zur Zeit ist, sind wir weiter denn je davon entfernt, dass sich Mieter und Vermieter auf Augenhöhe begegnen.“
Der Strauß an unzulässigen Tricks der Vermieter*innen ist groß und bunt, die Devise scheint häufig zu sein: erstmal machen. Wenn sich die Mietparteien trauen zu widersprechen oder gar Rechtsmittel ankündigen, kann man ja immer noch einlenken.
Kollektive Beratung
Jan Kammerer von Wilhelmsburg Solidarisch kennt viele solcher Fälle. Die Stadtteilinitiative bietet regelmäßig eine kollektive Beratung an, wo es um Probleme mit Vermieter*innen, Arbeitgeber*innen, dem Jobcenter oder anderen Behörden geht. Ein Mieter der Nordelbe habe kürzlich berichtet, dass der Mitarbeiter der Nordelbe bei einer Massenwohnungsbesichtigung gefragt habe, ob jemand von den Interessent*innen Hartz IV beziehe. Als sich zwei Besucher*innen meldeten, habe er ihnen gesagt: „Ihr könnt gleich wieder gehen, für euch gibt’s keine Wohnung.“
Kammerer sagt aber auch, dass die Nordelbe nur die Spitze des Eisbergs ist. Auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA und Wohnungsgenossenschaften nutzten die Machthörigkeit vieler Mieter*innen schamlos aus. Die eigenen Mietrechte durchzusetzen, könne nur der Anfang sein – im nächsten Schritt müssten sich die Mieter*innen zusammenschließen und organisieren.
Die Stadtteilinitiative hat damit bereits angefangen – am vergangenen Wochenende haben die Anwohner*innen Flugblätter verteilt und mit Nachbar*innen und Passant*innen gesprochen. Wilhelmsburg sei zwar noch nicht so gentrifiziert wie St. Pauli, sagt Kammerer. Aber er selbst wüsste nicht, ob er sich die Miete in dem Viertel südlich der Elbe in 15 Jahren noch leisten könne, wenn selbst die SAGA die Mieten alle zwei Jahre um 15 Prozent erhöht.
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