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Illegale Siedler räumen geschützten WaldKenias grüne Lunge atmet auf

Der Mau-Wald reguliert Kenias Wasserhaushalt, wurde aber in jüngster Zeit durch illegale Besiedelung zerstört. Jetzt weichen die ersten Siedler unter Druck des Militärs.

Der Mau-Wald in Kenia gilt als Lunge des Landes. Bild: dpa

Rund 200 Männer, Frauen und Kinder laufen in langen Reihen aus dem Wald hinaus. Sie führen Ziegen und Hunde an Leinen und tragen Matratzen und Kochtöpfe auf dem Kopf. Das sind die ersten von 25.000 illegalen Ansiedlern, die jetzt unter dem Druck der kenianischen Armee den Mau-Wald in den Bergen nahe Nairobi verlassen sollen. Die freiwillige Räumung der Dörfer Chematisch und Tiriyta im tiefsten Inneren des 400.000 Hektar großen Waldes begann einen Tag, nachdem 300 schwer bewaffnete Polizisten, Soldaten und Forstbeamte im Gebiet stationiert wurden.

"Es hat keinen Sinn mehr", sagt David Ngeno, "wir sind einfache Bauern ohne Waffen." Kenias Regierung hat gedroht, gewaltsam zu räumen, sollten Siedler nicht freiwillig gehen. "Aber wir werden alles tun, um die Räumung auf humanitäre Art geschehen zu lassen", beschwor Premierminister Raila Odinga.

Die Lastwagen voller Sicherheitskräfte haben den Bauern Angst gemacht. In der Vergangenheit haben kenianische Behörden vor Gewalt nicht zurückgeschreckt, um illegale Siedler aus Schutzgebieten zu verjagen. Die große Koalition von Präsident Mwai Kibaki und Premierminister Odinga, die Kenia seit den blutigen Unruhen Anfang 2008 regiert, will aber keine negativen Schlagzeilen, denn schon jetzt führen die Politiker ihre Kampagnen für die nächsten Wahlen 2012.

Die Räumung der illegalen Siedler aus dem Mau-Wald kann als Klimaschutzmaßnahme verkauft werden. Denn der Mau-Wald ist die grüne Lunge Kenias. Dort entspringen zwölf wichtige Flüsse, die fünf Seen in Kenia und Nachbarländern mit Wasser versorgen. Mehr als fünf Millionen Menschen sind davon abhängig. Aber je mehr Wald gerodet wird, um Farmen und illegalen Siedlungen Platz zu machen, desto weniger Regen fällt im Wald und desto mehr versiegen die Flüsse. Zwei Jahre schwerer Dürre haben jetzt das Ausmaß des Problems klargemacht.

Die Mehrheit der Bewohner des Mau-Walds gehört zum Volk der Kalenjin und siedelte sich in den 1990er-Jahren an. Sie kauften Land von politischen Freunden des damaligen, 2002 abgewählten Präsidenten Daniel arap Moi, selbst Kalenjin. Kenias Verfassung gibt dem Staatschef als Einzigem die Macht, Staatsland zu verkaufen oder zu verschenken. Das war Mois Art, Freunde zu belohnen. Sie erhielten riesige Waldstücke, die sie an andere Kalenjin weiterverkauften.

Heute sind die Kalenjin wichtige Partner im mitregierenden ODM (Orange Democratic Movement) des Premiers Odinga, und so musste der sehr vorsichtig manövrieren. Odinga musste den Siedlern Entschädigung versprechen, um den Zerfall seiner Partei zu verhindern. "Aber wo soll ich jetzt hingehen", fragt sich Sabina Boses, Mutter von sechs Kindern. "Die Regierung soll uns Land geben, auch wenn es nur klein ist."

Die Regierung wird nur solche Siedler entschädigen, die weniger als fünf Hektar Land haben und nachweisen können, dass sie es gekauft haben. Großgrundbesitzer, die Land als Geschenk von Moi bekamen, erhalten nichts. Dennoch wird die Rehabilitierung des Walds und die Entschädigung für die Siedler 380 Millionen Euro kosten - Geld, das die Regierung nicht hat.

Die Behörden glauben, dass der Rest der illegalen Ansiedler in den nächsten Wochen friedlich den Wald verlassen wird. "Die Menschen ziehen in kleinen Gruppen um. Sie haben keine Alternative, als zu gehen", sagt der Forstbeamte Isaac Wafula. "Ich glaube, jeder begreift jetzt, dass die Regierung es ernst meint."

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5 Kommentare

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  • A
    Andreas

    Nein einfach ist es nicht. Es gibt selten nur eine Ursache. Aber ohne die enorme Explosion der Bevölkerungszahl wären die Probleme Kenias kleiner und lösbarer als mit.

    Ich kann allerdings nicht erkennen daß es postkolonial ist. Kenia ist schon lange unabhängig. Korruption, Stammesdünkel und ähnliche Dinge passieren ganz losgelöst von der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien...

  • D
    domi

    Nun ist die Situation hier in Kenia leider nicht ganz so einfach.

    In der Tat hat Moi das Land an seine Familie / seinen Clan und getreue Dienstmänner seine Regierung verschenkt - ebenso wie Präsident Kenyatta zuvor.

    Das ganze Problem ist ein postkoloniales. Neben der Tatsache das bereits die weißen Kolonialherren Umsiedelungen im großen Stil vorgenommen haben und ganze Ethnien in ihnen fremdes Gebiet umsiedelten, haben alle Regierungen große Landstücke ihren Ethnien und speziell ihren Familien zugeschachert. Nun wurde dieses Land weiterverkauft und ein heiloses Durcheinander entstand. Viele Menschen leben seit über 20 Jahren oder gar seit mehreren Generationen auf Land, welches eine andere Ethnie für sich beansprucht oder welches eigentlich als Schutzgebiet ausgezeichnet ist.

    Nun hat die Regierung erkannt wie wichtig der Mau Forest ist und siedelt die Menschen vor der Ernte (in der oft jegliches Kapital steckt) und zu Beginn der Regenzeit um. Eigentlich siedelt sie diese nichtmals um - dann müsste nämlich woanders Land zur Verfügung stehen - sondern vertreibt sie nur. Es gibt nicht mal Flüchtlingslager und die Menschen stehen vor dem Nichts. Und natürlich betrifft diese Maßnahme in erster Linie die kleinen Landwirte, nicht aber die Großgrundbesitzer.

    Darüber hinaus geschieht dies nur im Mauwald und nicht aber im Aberdarewald, wo hauptsächlich Angehörige der Kikuyu-Ethnie "illegal" siedeln. Dies wird vermutlich den ohnehin existierenden ethnischen Konflikt verstärken.

     

    So erfreulich es ist Fortschritte im kenianischen Umweltschutz zu sehen sollte dieser doch auf eine etwas humanere und umsichtigere Weise umgesetzt werden.

     

    Daneben könnte die Regierung auch etwas gegen die ganzen (europäischen, asiatischen etc.) Blumenfarmen unternehmen. Diese verschlingen täglich immense Mengen an Wasser und verschmutzen massiv die kenianischen Süßwasserseen. Solange diese ungehindert expandieren ist auch kein noch so guter Schutz des Wassereinzugsgebiets zielführend.

  • N
    Ándreas

    Wenn meine Vorposter etwas über den antikapitalistischen Tellerrand hinausblicken können sollten wir uns gemeinsam Dinge anschauen, die deutlich näher am Geschehen liegen als Coca Cola oder Geländewagen...

     

    Laut http://www.populstat.info/Africa/kenyac.htm beträgt die Bevölkerungzahl in Kenia zur Zeit ca. 38-39 Millionen Menschen. Das deckt sich mit Wikipedia. 1970 waren es lediglich 11,5 Millionen. Das ist bald eine Vervierfachung in 40 Jahren. 2030 werden es bereits über 50 Millionen sind. Verfünffachung.

    Es ist kein Wunder, daß in einem Land, wo Landwirtschaft ein Hauptwirtschaftszweig ist, Land knapp wird. Auch der Druck auf die Wasserversorgung erhöht sich natürlich. Wenn nun Klientelpolitik, Stammesdenken und Korruption dazu führen, daß landsuchende Siedler in Wäldern, die enorm wichtig für die Wasserversorgung des Landes sind, sich niederlassen, diese roden und die Wasserquellen belasten ist es kein Wunder, daß das Wasser weniger bis ganz wenig wird.

    Eigentlich doch naheliegender als Coca Cola und der SUV?

  • M
    Mainstream

    Das Wasserproblem in Kenia geht wohl eher darauf zurück das freundliche Unternehmen wie die COCA-COLA company,großer reservoire an Wasser aufgekauft hat und somit was Wasser angeht eine klare Monipolstellung hat,das hat zur Folge das Wasser in Flaschen teurer ist als die Kapitalistenbrause,doppelt so hoch.Oder wie Santa sagen würde,wir werden euch zwingen UNSERE Freiheit zu kosten ;o)

  • D
    drusus

    Dann kann ja jeder europäische oder us-amerikanische SUV Fahrer aufatmen und sein Gaspedal ordentlich durchdrücken.

    Vermutlich haben diese illegalen Siedler nach ihrem "freiwilligen" Abzug keine besonders gute Lebensperspektive. Ein paar Hintergrundinformationen woher diese Siedler kommen und was sie bewegt wäre ganz gut gewesen.