Illegale Einwanderer: Nackt im Ferienparadies
Das Rettende naht meist in weiblicher Gestalt: Costa-Gavras Migrantengeschichte "Eden à louest" beschließt mit Slapsticks den Wettbewerb - außer Konkurrenz.
Mitten im Film, mitten in Europa bietet ein Wegweiser die Wahl: Rechts gehts nach Hamburg oder links nach Paris. Der Weg bis hierhin hat für Elias (Riccardo Scamarcio) in der Hölle eines Flüchtlingsfrachtschiffes begonnen, dort war er eingepfercht unter Leidensgenossen.
Fast ohne Dialoge, dokumentarisch genau, zeichnet "Eden à louest" von Costa-Gavras die Angst der illegalen Einwanderer nach Europa und ihre Ausbeutung durch die Menschenhändler nach. Erst haben die Opfer mit allem bezahlt, was sie besitzen, dann werden sie im Stich gelassen. Als ein Kontrollschiff sie entdeckt, müssen sie wählen zwischen Gefangenschaft oder dem Sprung ins offene Meer.
Elias erreicht das rettende Ufer, und sein erster Blick fällt auf nackte Nymphen, die sich am Strand einer wohlbewachten Touristenoase tummeln. Mit Glück und Geschick und auch einigen Slapstickeinlagen kommt Elias da durch: Mal im Adamskostüm, mal im Dienstbotenjäckchen ahmt er abwechselnd die Urlauber oder das Personal nach, als gehöre er zum Inventar.
Dann folgt das Roadmovie vom Ägäischen Meer in den Westen - eine Odyssee, die so gar nichts von einem Odysseus hat. Der Held ist nicht Elias, der "Listenreiche", sondern der naive Junge, der auszieht, sich eine neue Heimat zu finden. Die Umwelt ist eine fragile Konstruktion: Die einen sind eher misstrauisch und betrügen, die anderen sind freundlich und helfen, Uniformen signalisieren Gefahr, und das Rettende naht meist in weiblicher Gestalt.
Die erste dieser Retterinnen ist die deutsche Touristin Juliane Köhler, sie gibt ihr Bestes in einer Liebes-Episode in dem Ferienparadies. Die letzte ist die französische Nobel-Lady Anny Duperey, sie hilft dem Jungen in Paris modisch aus der Patsche. Zum Ziel führt der Jahrmarktzauberer Ulrich Tukur, der dem Film zwar keine magischen Momente vermittelt, dafür aber immerhin die Erkenntnis, dass nur ein Wunder die Welt verändern kann.
Es geht in "Eden à louest" um die Probleme "des" Emigranten, der keiner bestimmten Nationalität zuzuordnen ist, Probleme mit der Gesellschaft in Europa und ihren Vorurteilen gegenüber den Fremden. So wie der Wegweiser an der Autobahn nichts mit realer Geografie zu tun hat, so werden auf der Reise keine konkreten politischen Missstände aufgedeckt.
Der Regisseur Costa-Gavras wurde für "Z" (1968), "Das Geständnis" (1969) und "Missing" (1980) immer wieder als Meister des Polit-Thrillers gerühmt und kam dabei kaum je über die vordergründig emotionale Ebene seines Themas hinaus. Er emigrierte selbst einst aus Griechenland nach Frankreich, so ist "Eden à louest" auch ein persönliches Werk und ein versöhnlicher Appell an Menschlichkeit und Völkerverständigung. Costa-Gavras Film reiht sich ein in die Filme zu Globalisierung, Terrorismus, Völkermord und Emigration, mit denen sich die Berlinale als politisches Filmfestival behauptet.
"Eden à louest". R: Costa-Gavras. Mit Riccardo Scamarcio, Juliane Köhler, Ulrich Tukur. Frankreich, Griechenland, Italien 2008, 111 Min.; 14. 2., 19.30 Uhr, Berlinale Palast
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