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Ikea stoppt Investitionen in RusslandWütender Elch

Dem Ikea-Gründer Kamprad geht die Geduld mit der russischen Bürokratie aus. Er beklagt den anhaltende Betrug und die Schikanen. Jetzt will er alle Investitionen stoppen.

Ohne Schmiergelder läuft nicht viel: Ikea in Russland. Bild: dpa

MOSKAU taz | Russland, das sei „sein letztes großes Hobby“, meinte Ingvar Kamprad, der Gründer des Möbelkonzerns Ikea, als er vor neun Jahren mit der ersten Moskauer Filiale sowjetisches Einheits-Meublement mit europäischer Wohnkultur auflockern wollte. Das Hobby kommt dem für bescheidene Lebensführung bekannten Milliardär nun doch teurer zu stehen.

„Man hat uns bei Strom- und Gaslieferungen richtig über den Tisch gezogen“, meinte der 83-Jährige im schwedischen Radio P1. Umgerechnet 206 Millionen Franken mehr als vereinbart verlangen russische Energieversorger. Um sich gegen Betrug zu feien, schaffte der Konzern für seine elf russischen Möbelhäuser Stromgeneratoren zur Selbstversorgung an.“ Eine furchtbar teure Sache“ klagte der fünftreichste Mann der Welt.

Nicht nur überzogene Energiekosten erschweren unterdessen das Geschäft. Seit das „unmögliche Möbelhaus aus Schweden“ 2000 in Russland einstieg, stieß es auf eine ungeahnte Bandbreite von Schikanen, auf die eine korruptionsanfällige Beamtenschaft verfällt, um das Unternehmen zu piesacken. Der Aufsichtsrat des russischen Ikea zog jetzt die Reißleine. Russlandchef Per Kaufmann gab bekannt, der Konzern werde alle weiteren Vorhaben auf Eis legen. Drei Projekte mit einer Summe von 160 – 240 Mio. Franken sind zunächst betroffen. Insgesamt plante Ikea noch 5,45 Mrd. Franken zu investieren. Außerhalb des Energiesektors gehört der Konzern zu den größten Auslandsinvestoren und erfreut sich trotz Wirtschaftskrise bei den Kunden ungetrübten Zuspruchs.

„Unvorhersehbarkeit von administrativen Vorgängen“ nannte Kaufmann als Grund des Einfrierens. Anlass war die Farce rund um die Einweihung eines Möbelhauses in Samara. 2007 sollte die Filiale bereits eröffnet werden. Achtmal wurde der Termin verschoben, weil die Verwaltung immer neue Mängel entdeckte. Erst stattete der Feuerschutz einen Überraschungsbesuch ab, dann die Sanitärbehörde, später die Raumplaner und zu guter Letzt legte das Katastrophenministerium Veto ein: Das Gebäude sei nicht gegen Orkane gerüstet. Und der Beamte empfahl auch gleich einen Bauunternehmer, der Abhilfe schaffen könne. Das Fass war voll. Die Kosten hatten sich verdoppelt und die seit 2007 beschäftigten 250 Mitarbeiter wurden entlassen.

Ikea ist kein dünnhäutiges Unternehmen im Umgang mit Bürokratie. Ob in Rostow, in Nowosibirsk oder in Moskau – überall intervenierten die Kontrolleure. Nach einem Vorfall in Chimki bei Moskau wurde sogar Ex-Präsident Wladimir Putin eingeschaltet. Zur Eröffnungsfeier waren der schwedische und deutsche Botschafter erschienen, doch es gab keinen Strom. Die Regionalbehörde monierte im letzten Moment eine Gasleitung in Parkplatznähe. Dabei hatte Ikea auf Wunsch der Behörde schon eine Brücke gebaut und eine Million Franken für den Jugendsport gespendet. In Nowosibirsk trat Verzögerung ein, weil die Verwaltung verlangte, eine 2,6 km lange Straße noch zu verbreitern und eine 300 Meter lange Brücke zu bauen.

Der Vizeminister für Wirtschaftsentwicklung nahm die Ankündigung Ikeas gelassen auf. Noch habe man keine Beschwerde erhalten, „wenn das Unternehmen sich so entschieden hat, werden wir aber die Hintergründe untersuchen“, sagte Stanislaw Woskresenski.

Nach Ansicht des russischen Analysten Michail Krasnoperow von Troika Dialog belegt der Fall überdies, „dass sich das Investitionsklima nicht verbessert hat“. Auch Firmengründer Kamprad kommt ins Grübeln: “Wir haben uns für einen Weg ohne Schmiergelder entschieden. Ob das vernünftig war, weiß ich nicht“.

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16 Kommentare

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  • A
    Amos

    Wenn man immer mehr "fressen will", muss aber auch

    der "Stoffwechsel" funktionieren.

  • D
    denninger

    Liegt es nun am Jetlag des Klaus-Helge, der nicht existenten Schlussredaktion oder an der Europhobie der taz dass man sich nicht einmal mehr die Mühe macht, den Artikel zumindest in Bezug auf die Währung der deutschen Leserschaft anzugleichen?

    Die Qualitätsdiskussion über bodenlos schlechte Artikel in der taz (siehe den "Tofu-Artikel" mit ca. 300 Kommentaren oder die "Wissen"-Artikel von Barbara Kerneck) wird wohl die Hauptlast für die neuen Chefredakteurin sein. Ines Pohl sollte (vielleicht) ihre ideologischen Visionen erst einmal hinten anstellen und auf mehr Qualität der Beiträge achten.

    Ansonsten verkommt die taz qualitativ zur Schülerzeitung.

  • D
    Dom

    “Wir haben uns für einen Weg ohne Schmiergelder entschieden. Ob das vernünftig war, weiß ich nicht“.

     

    Wer in Russland (und sämtlichen anderen Staaten östlich von DE) nicht ordentlich schmiert muss damit rechnen außer Landes gejagt, eingekerkert oder schlimmeres zu werden.

     

    So läuft das dort nun mal. In sofern ist es IKEA mit der Verzögerungs- und Blockadetaktik des Behördenapparates noch ganz gut ergangen.

     

    Aber würde mich nicht wundern wenn ein Mitarbeiter des russischen IKEA-Managements demnächst auf offener Straße erschossen wird, jetzt wo klar ist das sie kein Geld mehr für Expansion locker machen.

  • J
    jan

    Die Franken stammen von der Zweitverwertung aus der NZZ am Sonntag unter dem Titel "Wütender Elch und hungriger Bär".

    Die NZZ braucht ihre renommierten und glänzend geschriebenen Auslandsreportagen dringend, weil sonst keiner, der noch bei Trost ist, die marktradikale Hetze im Wirtschafts- und Politikteil abonnieren würde.

  • B
    Bääärrk!

    Bürokratie anhaltenden Betrug und Schikanen, hat Opel noch vor sich, allerdings auf Rechnung des Steuerzahlers.

  • A
    ARE

    Die Erfahrung hat ein Bekannter von mir vor einigen Jahren im Kleinen gemacht. Als Einzelunternehmen wollte er mit einem Partner in Russland ein Softwareunternehmen aufbauen. Er musste schnell reagieren, als die dortigen Behörden unverschämte Bestechungsgelder verlangten. Zudem wurde eine Art "Exportgratifikation" von ihm verlangt, d.h. die dort produzierte Software konnte er nicht ohne "Genehmigung" exportieren. Er drehte den Spieß dann um, d.h. der ihm aus dieser Zeit bekannte russischen Programmierer stellte er in Deutschland an. Er wurde nach einigen Jahren und harter Arbeit in seinem Spezialsegment Marktführer mit "Made in Germany".

     

    Es ist genau das, was SELTEN in den Zeitungen steht: Deutschland ist ein HERVORRAGENDER Standort. Ansonsten könnten wir nämlich nicht Exportweltmeister sein! Anscheinend verkauft sich diese Erkenntnis nicht so gut ...

     

    P.S.: würde man die Maßstäbe der Qualifikation von Industrie, Gewerbe und Handel auf die hiesige Politik anwenden, dann hätte der Bundestag wahrscheinlich einen exklusiven Club-Charakter, die russische Duma bräuchte man unter den Bedingungen vielleicht gar nicht mehr zu putzen.

  • D
    drui

    Ob Franken oder Kronen - Hauptsache Italien!

  • AS
    August Starke

    Bedenkt man, daß in der Möbelindustrie Gewinnspannen von 90 Prozent und mehr keine Seltenheit sind, dürfte sich der Schaden bei Ikea in Grenzen halten.

     

    Oder haben Sie sich nicht schon einmal gefragt, warum man Ihnen in einem Möbelhaus nicht den eigentlichen Herstellers des bereits um 50 % reduzierten Traumsofas nennen will ? Natürlich nur, damit es dem Kunden schwerer fällt, einen Preisvergleich durchzuführen.

     

    Prestige-Marken wie Koinor, Siematic oder Hülsta einmal ausgeschlossen - diese Hersteller verankern grundsätzlich eine Preisbindung in Lieferverträgen.

     

    Also... selbst in Russland hat Ikea noch prächtig verdient, auch wenn ich natürlich das korrupte Verwaltungssystem auf's schärfste verurteile (aber ich denke, das steht außer Frage).

     

    Wenn Russland sich "demokratisch" und "weltoffen" nennen will, muß hier nachgebessert werden. Dringend. Eigentlich schon seit zehn+ Jahren überfällig.

  • T
    terry

    Anscheinend ist es in Russland schwerer zu enteignen bzw die öffentlichen Kassen mit Sonderinfrastrukturmassnahmen zu belasten wie bei uns in Germany.

    Hab selber mit diesem Konzern einen Rechtsstreit geführt.

  • I
    imation

    Na so ein Zufall aber auch, gibt es in der FAZ doch auch einen Beitrag zum Thema IKEA und Russland. Wer hat sich den da vom wem inspirieren lassen.

    Das der Beitrag der FAZ mir ausgeglichener als der der TAZ scheint wundert mich ja nicht beim Autor KLAUS-HELGE "Russland-Profi-Basher" DONATH.

     

    PS, hier der Beitrag der FAZ:

    http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~E21BF9C7E9D16414986569808B8F34AEE~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  • JJ
    Jared J. Myers

    @hessebub: Hier geht es um FRANKE®, das unmögliche Zahlungsmittel aus Kiefernholz, wahlweise mit gelbem Echtlederimitat als Schwedische Krone oder mit grauem Polyethylensamt als Rubel bezogen. Anscheinend hat da IVAN von den Stadtwerken in Werchojansk auf der Stromrechnung die falschen Bezüge bestellt.

  • S
    Schulz

    Offensichtlich waren die Vorstellungen im Vorfeld weit auseinander und Infrastruktur nicht vorhanden. Dieses Problem wurde ausgespart.

    Der Staat ist nicht willig, kostenfrei fuer Ikea weitere Bauvorhaben zu leisten.

    Das sind Fremdleistungen, die entweder gezahlt werden muessen oder durch Beteiligung am Umsatz-am Gewinn entschaedigt werden.

    Die Sicherheitsstandards oder Maengel kann man aus der Ferne auch nicht sehen.

    Eine Verdoppelung von veranschlagten Kosten ist auch in Deutschland nichts Neues, sogar noch mittleres fast nicht einzuhaltender Standard.

    Verdreifachung macht sogar Berlin siehe ...

    Bahnhof.

    Nein, ikea ist mir zu weit weg und meine Vorstellung von Billig und Gut sind anders.

  • H
    hessebub

    Wieso eigentlich Franken? Ist die taz jetzt in Bern ansässig?

  • I
    Ingmar

    ... Sprach Katev, griff sich ein Buch aus dem Billy Regal und setzte auf seine Kramfors Couch, schlüfte einen Tee aus der CHARMÖR Tasse. Böse Welt, böses System böses ...

  • G
    grafinger

    Ooch, "Katev", was Du so alles weist.

    Die "Vielfalt an Anbieter (sic!)" gibt es in der Möbelbranche schon seit Zeiten vor Ikea nicht mehr.

    Glaubst Du wielleicht, dass R*****, X******, M***** oder I****** anderes Geschäftsgebaren an den Tag legen?

    Worin liegt denn die Ursache für den Preisdruck? Richtig, der Verbraucher findet "Geiz ist Geil" und will alles billig haben.

    Das ist aber nicht die Schuld der Möbelhäuser.

  • K
    Katev

    Interessant ist, wieviel sich Ikea vorher gefallen lassen hat, bis es sich entschloss, kehrtum zu machen. Und hierzulande wurde immer gepredigt, man müsse den Investoren supertolle "Rahmenbedingungen" bieten, sonst kommen die erst gar nicht. Als sei die Verlockung eines Binnenmarktes gar nichts.

     

    Wenn es nach mir ginge, sollte Ikea auch in Europa einen Kopf kleiner gemacht werden. Die Kette wird immer omnipräsenter und entsprechend dreister. Man muss sich nur die riesigen Firmenschilder ansehen, die den Himmel verschandeln. Ikea zerstört die Vielfalt an Anbieter, basiert auf ausbeuterischen Produktionsmethoden und behandelt auch das Verkaufspersonal mies.