■ Ihr Vorteil: zwei Rezensionen in einem Text: Rationeller konsumieren
Billiger essen. Das Koch- und Plauderbuch „Aldidente. 30 Tage preiswert schlemmen“ hat zwei Autorinnen: Die eine weiß 30 Rezepte, deren Zutaten fast ausschließlich bei Aldi gekauft werden können; die andere beschreibt alle Facetten des Lebens à la Aldi in 30 munteren Texten. Das Ganze in Kinderbuchformat und -gestaltung auf billigem Papier. Die Rezepte heißen so appetitlich wie ihre Zutaten, zum Beispiel „Kartoffelmatte“, „Lachs-Geldbeutel (mit Bananen-Füllung)“, „Salat Surprise“ oder „King-Size Ravioli mit Spinat“. Hinter den Rezepten steht nicht, wieviel Zeit man dafür braucht, sondern wieviel Geld. Das Buch selbst kostet, aldimäßig ausgedrückt, 1499. (Bei Aldi wird eben nicht nur an Charme, Telefon und Musikberieselung gespart, sondern sogar am Komma.) Das Buch ist überhaupt kein Betrug, aber es macht auch keine Freude. Es ist value for money und sonst gar nichts. Es ist wie Aldi.
Besser lesen. Mit dem Buch „Schneller und besser lesen“ soll man lernen können, was der Titel verspricht. „Rationalisierung der geistigen Arbeit“ nennt das der Autor Franz Loeser, geb. 1924, Professor für Heuristik, verstorben. (Das ist die Rationalisierung des Lebenslaufs.) Nach der „Rationalisierung des Lesens“ soll man aber nicht einfach nur schneller lesen können, sondern immer so, wie der Text es erfordert, also auch mal langsamer und zudem total konzentriert. Und: „Der rationelle Leser muß nicht nur wissen, was er lesen muß, sondern auch, was er unbedingt nicht lesen darf! Das ist ein wichtiges Prinzip der Anwendung der Ökonomie der Zeit beim Lesen.“
Ein Text wird hier nur als Informationsträger betrachtet. Was ihn tatsächlich leicht oder schwer und damit schnell oder langsam lesbar macht, nämlich, wie er geschrieben ist, läßt der Autor außen vor. Kein Wunder, schreibt er doch selbst so unschön, als hätte er es bei Aldi gelernt. Dieses eine Tabu kennt er zwar: „Wenn ich schöngeistige Literatur erleben möchte, so sollte ich unter dieser Zielstellung nicht rationell lesen, weil ich sonst den ästhetischen Wert dieser Literatur nicht in vollen Zügen genießen kann – was aber eine wesentliche Absicht des Autors war.“ Doch viel ästhetischen Wert scheint er sich nicht zugeführt zu haben: Nicht nur seine, auch die meisten Übungstexte des Bandes poltern so linkisch unbeholfen über die Seiten, daß man sie eigentlich unbedingt nicht lesen will, siehe oben.
Erst wird erläutert, was „rationelles Lesen“ ist, dann übt man es. Unrationelle Angewohnheiten, wie mitzusprechen oder im Text zurückzuspringen, gewöhnt man sich ab; mehr Text auf einen Blick zu erfassen, gewöhnt man sich an. Auch lernt man, auf „Geradeaus- Wörter“ und „Andere-Richtung- Wörter“ zu achten. Lesen geht dann etwa so: UND: ge-ra-de-aus! OBWOHL: reeechts um! Auch für das pfeilgeschwinde Überfliegen eines Textes gibt es eine Anleitung. Nach 30 Stunden Übung soll man bis zu 1.000 Wörter pro Minute lesen können statt der üblichen 200 bis 400. (Dieser Text hat 497 Wörter.) Beim Überfliegen eines Textes soll man gar bis zu 25.000 Wörter pro Minute schaffen. Recht beeindruckend. Etwa so beeindruckend wie die Füße von hinten neben die Ohren zu hängen und dabei zehn Teller auf dem Kopf zu balancieren. Wozu nur, fragt man sich, wozu? Schneller sterben. Iris Hanika
Astrid Paprotta, Regina Schneider: „Aldidente. 30 Tage preiswert schlemmen“. Ein Discounter wird erforscht. Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1996, 120 S., 14,99 DM
Franz Loeser: „Schneller und besser lesen“. Arbeitsbuch. Aktualisiert von Ch. Schnauß. Eisbär Verlag, Berlin o.J., 282 S., 29,80 DM
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