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Identitätsstiftendes Ozon

■ Alexander Schuller eröffnete eine sechsteilige Vortragsreihe über „Sehnsucht – das stumme Muster der Moderne“

Ein Blick auf seine Biographie, und der Einstieg ins Thema erklärt sich von selbst: Alexander Schuller – russische Mutter, deutscher Vater, geboren in Japan, aufgewachsen in China, Deutschland und den USA, Studium in Paris, London, München und Berlin – beginnt seine Vortragsreihe Sehnsucht – das stumme Muster der Moderne mit Gedanken über den „Ort, wo ich hingehöre“ – Heimat. Seine Grundthese lautet: „Der Begriff von Heimat ist da, weil Heimat in Wirklichkeit verschwunden ist.“

Heimatverlust diagnostiziert Schuller nicht nur im geographischen Sinn. Auch Familien- und Berufsstrukturen als Identitätsstifter verlören immer mehr an Bedeutung, ohne daß für ihre Funktion – Geborgenheit, Kontinuität – ein effizienter Ersatz gefunden worden wäre. Der Verlust der Heimat und damit der Identität erzeuge Sehnsucht nach dem Verlorenen: Einerseits äußert sie sich romantisch-bitter, andererseits gefährlich (selbst-) zerstörerisch wie in totalitären Ideologien oder Suchterkrankungen.

„Heimat“ war Thema des ersten Vortrags des Berliner Professors für Historische Anthropologie; Schicksal, Natur, Totalitarismus, das Andere und Eros sollen in den kommenden Monaten untersucht werden. Schuller pflegt dabei einen Diskurs zwischen Wissenschaftsthesen und Alltagswitz, empirischen Daten und feuilletonistischen Provokationen. Etwa, wenn er den positiv besetzten Heimatbegriff der Faschisten dem negativen der Bürgerlich-Linken gegenüberstellt: „Wenn es bei den Nazis um Blut und Boden geht, geht es bei den Grünen um Atom und Ozon.“ Hoppla! Schullers Stärke, auch auseinanderliegende Aspekte einer Sache miteinander zu verknüpfen, ist eben auch seine Schwäche. Formelhaft setzt er Heimat gleich Identität, Identität gleich Paradies. Heimatlosigkeit als Wert – für Schuller keine Perspektive. Selbst wenn er am Ende seines ersten Vortrags Nietzsche zitiert: „Wir Heimatlosen von Anbeginn, wir haben keine andere Wahl. Wir müssen Eroberer und Entdecker sein.“

Joachim Dicks

nächster Vortrag: „Die Macht des Schicksals“, Do, 29. Oktober, 19.30 Uhr, Evangelische Akademie, Esplanade 15

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