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Identitäten Lange wusste Stephania Sabel-Isumo nur, dass ihr Vater aus dem Kongo war. Als sie ihn vor 20 Jahren dort suchte, erfuhr sie, dass sie die Thronfolgerin des Volks der Isumo/Bonyenga warEs ist eine Königsfamilie

von Christina Spitzmüller (Text) und Amélie Losier (Fotos)

Zu Besuch bei der Bischöfin und Königin Dr. Stephania Sabel-Isumo, 52 Jahre ist sie alt, in Potsdam. Seit fast sechs Jahren lebt die Königin des kongolesischen Volks Isumo/Bon­yen­ga hier. Zuletzt war sie vier Jahre in der Demokratischen Republik Kongo, wegen ihres zweiten Adoptivkindes.

Draußen: Die modernen Plattenbauten in der Nähe des Potsdamer Hauptbahnhofs sind barrierefrei gebaut – für Menschen im Rollstuhl, für Ältere mit Gehhilfen. Nebenan ist ein Seniorenheim, im Innenhof des Gebäudekomplexes eine Spielfläche für Kinder. Meist ist es aber ruhig.

Drinnen: Auf 90 Quadratmetern lebt eine Königsfamilie: Königin Stephania mit dem neunjährigen Kronprinzen Ijan Tobias Immanuel Angelino und der vierjährigen Prinzessin Madita-Elisabeth Nadine Damaris-Joy Angelina. Früher wohnte Stephania in Süddeutschland in einer großen Haushälfte, da hatte sie genügend Platz für die vielen schönen Dinge, die sie besitzt. In der Potsdamer Wohnung hingegen ist es eng. Nur einen Raum in der Wohnung hat Königin Stephania ganz für sich alleine: das Schuhzimmer. 98 Paar High Heels stehen dort, allesamt in Größe 43: „Ich kann den ganzen Tag lang hohe Absätze tragen, schließlich muss ich ja nicht darin laufen.“

Die Königin: Königin Stephania wuchs bei ihrer Mutter in Schleswig-Holstein auf, von ihrer königlichen Abstammung wussten beide nichts. Wer ihr Vater ist, erfuhr Stephania erst, als sie ihn vor 20 Jahren im Kongo suchte. Als älteste leibliche überlebende Tochter des Königs war sie die Thronfolgerin – und wurde 2008 zur Kronprinzessin ernannt. Zwei Jahre später dankte ihr Vater ab, seither ist sie amtierende Königin des Volks Isumo/Bonyenga. Etwa 44.000 Menschen zählen dazu. Ihr Gebiet konnte die Königin noch nie besuchen. „Die Reise mit dem Flugzeug, der Fähre, dem Baumstammboot und schließlich dem Motorrad durch Dschungel und Sumpfgebiete kann ich im Rollstuhl nicht bewältigen.“ Ihr Ministerium hat seinen Sitz in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa, „so sind die Wege kürzer“. Sieben Minister arbeiten dort im Auftrag der Königin. Ihre Zuständigkeitsbereiche: Umwelt und Landwirtschaft, Bildung und Soziales, Gesundheit und Medizin, Außen- und Innenpolitik. Ganz normale Minister eben. Via Whatsapp, Telefon, Internet und Fax ist Königin Stephania im ständigen Gespräch mit ihnen und gibt Regierungsanweisungen – auf Französisch, Lingala und Kimongo.

Die Bischöfin: Bischöfin Stephania ist die erste weibliche Bischöfin der Église du Christ au Congo, der protestantischen Kirche im Kongo – etwa ein Viertel der Bevölkerung sind evangelische Christen. „Mein Glaube trägt mich durch alles, Gott hat uns in unserer Zeit im Kongo beschützt und uns jetzt nach Hause gebracht.“ 2011 reiste Stephania mit Ijan in die kongolesische Hauptstadt Kinshasa, um dort nach ihrem schwerkranken Vater zu sehen und ihre Tochter Madita zu adoptieren. Durch eine Verordnung des Präsidenten konnten sie erst vier Jahre später das Land wieder verlassen – kongolesische Adoptivkinder durften vorher nicht ins Ausland reisen. In dieser Zeit baute die studierte Religionspädagogin eine Gemeinde in Kinshasa auf und wurde nun als Botschafterin nach Deutschland entsandt. Hier will sie eine internationale Inklusionsgemeinde gründen. Derzeit sucht sie noch nach Partnern für das Projekt.

Die Mutter: Ijan und Madita sind leibliche Geschwister, Kinder von Stephanias Halbbruder. Es ist Tradition, dass Könige Kinder ihrer Geschwister in die eigene Familie aufnehmen und unterstützen. Natürlich wissen Ijan und Madita, dass ihre Mutter eine Königin ist. „Aber es sind Kinder, sie sollen die Bürde der Verantwortung für ihr Volk noch nicht spüren.“ Trotzdem versucht Stephania, die beiden in dem Bewusstsein großzuziehen, dass sie später ihrem Volk helfen können. Prinzessin Madita soll ihrem Bruder beim Regieren des Volks dann zur Seite stehen. Und die beiden sollen sich jetzt schon in Nächstenliebe üben. „Wir wollen unserem Volk dienen.“

Die Hautfarbe: Der Mann ihrer Mutter war Rassist. Als Kind sei Stephania vom Stiefvater brutal geschlagen worden. Rassismus erlebte sie oft in ihrem Leben: In der Schule wurde sie wegen ihrer Hautfarbe gehänselt und geschlagen, erst neulich wurde sie im Vorbeigehen von einem Mann angespuckt. „Ich kann inzwischen damit umgehen und leide nicht unter den persönlichen Anfeindungen, sondern allgemein darunter, dass es Rassismus gibt.“

Das Deutsche: Ob sie ihr Deutschsein in ihrem Volk eingebracht hat? „Sonst gäbe es dort heute kein Ministerium.“ Organisation und Struktur – Werte aus Deutschland, die das Volk vorher so nicht kannte. Aber das Volk Isumo/Bonyenga steht hinter seiner Königin und unterstützt ihre Reformen. Natürlich erwartet es auch Hilfe von der deutschen Königin. Stephania will Schulen bauen, in denen die Kinder nicht geschlagen werden, Krankenhäuser, in denen Schul- und Naturmedizin sich ergänzen, und Einrichtungen, in denen Frauen ausgebildet werden können. „Ich will den Gedanken, dass jeder Mensch und ganz besonders jedes Kind wertvoll ist, beim Volk etablieren. Damit Kinder nicht verstoßen werden, nur weil sie grade mal in einer Trotzphase sind, und damit Frauen eine Perspektive bekommen.“

Die Behinderung: Stephania kam mit dem Usher-Syndrom auf die Welt. Dadurch sieht und hört sie schlecht. Inzwischen trägt sie eine dicke Brille mit einer Sehstärke von minus 38 Dioptrien. Mit Hörgerät kann sie immerhin Vibrationen wahrnehmen. Meist muss sie ihren Gesprächspartnern aber von den Lippen ablesen. Mit 19 Jahren erkrankte sie zusätzlich an Polio und sitzt seither im Rollstuhl. „Ich hab mich aber nie aufhalten lassen.“ Sie hat studiert und promoviert, ist unabhängig und hat sich nicht in die Rolle der Hilfsbedürftigen drängen lassen. Heute hat sie Ehrenprofessuren für „Inkludierende praktische Theologie“ und „Inkludierende Kultur“. Hilfe im Alltag braucht sie nicht – nur wenn mal was aus den oberen Schränken runter muss oder aus dem Keller geholt werden soll, da kommt sie allein nicht ran. „Es wäre schön, wenn ich Menschen Mut machen könnte, nicht aufzugeben, sondern weiterzumachen und darauf zu vertrauen, dass mit Gott alles gut wird.“

Die Kunst: Nachts, wenn die Kinder im Bett sind und sie nicht schlafen kann – „die Bandscheiben schmerzen so oft“ –, wird Stephania manchmal kreativ. Dann malt sie oder macht Kolliers und Diademe aus Steinen. Am liebsten aus afrikanischen, aber auch anderen. Manchmal schicken ihr Freunde alte Ketten, die zu schade zum Wegwerfen sind. Es sind ihre nächtliche Stunden der Muse, sie kommen nicht oft vor.

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