Identitären-Kader als AfD-Mitarbeiter: Das rechtsextreme Regionalbüro
AfD-Bundestagsabgeordneter Frank Magnitz beschäftigt offenbar ein Mitglied der Identitären. Dem war die AfD einfach nicht radikal genug.
„Natürlich“ solle ein Bürgerbüro eröffnet werden, sagt Magnitz gegenüber der taz. Bürgerstunden und Veranstaltungen sollen dort „selbstverständlich“ stattfinden, sagt er auch noch. Über Personalia will der 65-Jährige aber nicht sprechen: „Personalplanung des Abgeordneten geht die taz so wenig an wie die Planung der taz den Abgeordneten“.
Gegenüber Radio Bremen wird Magnitz ein klein bisschen deutlicher: Für den Aufbau des Büros habe er zwei Teilzeitkräfte eingestellt, sagte er dort. „Und wenn Herr Schick da arbeiten würde, würde er das als Herr Schick tun und nicht als Identitärer. Der liefert dort seine Arbeit.“ Für einen Job bei der AfD sei einzig die berufliche Qualifikation wichtig. „Mehr nicht.“
Zugespieltes Videomaterial belegt das regelmäßige Einkehren von Schick zu Bürozeiten in dem Haus im Bremer Stadtteil Walle. Seit mehren Wochen kommt er von Montags bis Donnerstags jeden Morgen dorthin, auch gemeinsam mit Robert Teske, Landesvorsitzender der „Jungen Alternative“ (JA), des AfD-Jugendverbandes. Der scheut die Nähe zur IB ohnehin nicht. Bei einem Wahlauftritt der Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bremen im August 2017 verteilten IB und JA gemeinsam Flugblätter gegen die Asylpolitik der „Merkel-CDU“. In Berlin besuchte Teske zuvor einen Marsch der IB am 17. Juni 2017 – angeblich ganz „privat“.
Im selben Jahr antwortete der Bremer Senat auf eine Anfrage der Linken: „Im Rahmen der Beobachtung des Phänomenbereichs Rechtsextremismus erlangte das LfV (Landesamt für Verfassungsschutz) zudem Kenntnis über Kontakte von Aktivisten der rechtsextremistischen Gruppierung IB zu Mitgliedern der Landesverbände von AfD und JA“.
Desillusioniert von der Parteiarbeit in der AfD
Das Netzwerk: Seit Oktober 2017 ist die AfD im Bundestag vertreten. Jedem ihrer Abgeordneten stehen pro Monat mehr als 20.000 Euro für Mitarbeiter zu, dazu kommen kommen Mittel für die 150 Personalstellen der Fraktion. Ein rechtes Netzwerk erhält Zugang zu enormen Ressourcen und sensiblen Informationen. Die Fraktion wird zum Scharnier zwischen extremer Rechter und der bürgerlichen Mitte.
Die Kooperation: Die taz, die Zeitschrift Der Rechte Rand und das antifaschistische Archiv apabiz haben seit Dezember die Hintergründe der MitarbeiterInnen und Abgeordneten recherchiert. Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln der Otto-Brenner-Stiftung.
Seit 2012 besteht in Bremen eine IB-Gruppe. Schon bei der Gründung waren Rechtsextreme führend aktiv. Seit 2016 ist die Gruppe stabiler und aktiver. Von der JA und AfD war Schick zur IB gekommen. Auf der Webseite der IB stellte das bundesweite Netzwerk Schick mit Bild vor: „28 Jahre aus Bremerhaven, Politologe und Student der Soziologie, aktiv in der Regionalgruppe Niedersachsen“. Auf Facebook erklärte Schick am 4. August 2017, Anfang des Jahres „aus der AfD ausgetreten“ zu sein, „weil ich von der Parteiarbeit desillusioniert war und über den Zeitraum meiner einjährigen Mitgliedschaft erkannt habe, dass Parteien und ihre politische Trägheit nichts für mich sind.“ Nun hat er offensichtlich seine Ansicht geändert und begibt sich in die Parteiarbeit für einen AfD-Abgeordneten.
Die Nähe zur IB pflegt umgekehrt auch Magnitz schon länger. Bei der Aktion gegen Merkel war er mit auf dem Marktplatz dabei. 2017 erklärte er noch, dass es zwar „persönliche Bekanntschaften“ zur IB gebe, doch von einer Zusammenarbeit könne keine Rede sein. Es bestehe schließlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD mit den IB-Aktivisten.
Wie weit rechts sich Magnitz bewegt, offenbart ein Interview in der April-Ausgabe von „Zuerst – Deutsches Nachrichtenmagazin“: Dort bewertet er den Koalitionsvertrag der Bundesregierung als „Katastrophe für Deutschland“. Das Magazin, das seit 2009 erscheint, bewerten Politologen schon lange als rechtsextrem.
Vor seiner politischen Karriere war Magnitz erfolgreich als Berater in der Baustoffindustrie und im Immobilienbereich tätig. Das Haus in Bremen, in dem sein zukünftiges Büro entsteht, gehört ihm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut