Idee für die Zeit nach Corona: Bänke zum Klönen
In Altona möchte eine Lokalpolitikerin, dass sich die Menschen nach der Pandemie wieder näher kommen. Was könnte da besser helfen als Reden?
Nach zwei Jahren zeichne sich nun ein Ende der vielen Pandemiemaßnahmen ab. Aber die Vereinsamung der Bürger sei damit „noch lange nicht aus der Welt“. In einer Stadt wie Hamburg, wo jede zweite Person Single ist, müsse man jetzt für positive Begegnung sorgen.
Das finden alle gut. Steffens' Antrag an das Bezirksparlament, zu gucken, wie diese Bänke realisiert werden, wurde einstimmig angenommen. Das Ganze sei eine „hervorragende Idee“, sagt auch die Grünen-Bezirkschefin Stefanie von Berg. Auch die Grünen im Hamburger Rathaus bereiten einen Antrag für „möglichst viele Freundschaftsbänke“ in der Großstadt vor, wie Seniorenpolitikerin Christa Möller-Metzger sagt. Sie würden von Sponsoren finanziert, die ihren Namen anbringen können.
Thematisiert wurde das Redebedürfnis der Bürger bereits im Juni auf einer Tagung von Trendforscherin Ooana Horx-Strather. Ein Vorteil der Pandemie sei, „dass wir offen über Einsamkeit reden können“, sagte sie. Oft reichten schon kleine Eingriffe. In Schottland hätten Bürger in einem Einkaufszentrum, wo es kaum Platz zum Sitzen gab, „Chatty Chairs“ durchgesetzt. Chatty heißt quatschen. In England gebe es „Friendship Benches“, in Amerika signalisieren gelbe Bänke, dass man bereit ist, mit anderen zu reden.
Die Sache will aber schon koordiniert sein. In Stuttgart gerieten Bürger, die in Eigenregie „Schwätzbänkle“ aufstellten, zunächst mit den Behörden in Clinch. Nun setzte der Landesseniorenbeirat durch, dass an 20 Orten Baden-Württembergs Schilder an Bänken zum „Schwätzen“ einladen. „Wir kapern sozusagen die Bänke“, sagte der Vorsitzende Eckart Hammer laut Süddeutscher Zeitung. Allerdings sei Einsamkeit nicht allein Problem der Älteren.
Gleichwohl ergab eine Studie des Bundesfamilienministeriums, dass sich durch Corona auch bei den über 80-Jährigen der Anteil der Einsamen erhöhte. Ein Grund könne auch die Digitalisierung sein, sagte Studienleiter Roman Kaspar gegenüber dem WDR, da von den ganz Alten nur jeder Fünfte „Onliner“ sei. Nötig wäre, Gemeinschaft in den Quartieren zu fördern.
Klaus Wicher, der Landeschef des Sozialverbands Deutschland in Hamburg, wittert hinter Klönbänken gar Symbolpolitik. Sein Verband habe eine Studie zu Einsamkeit im Alter erstellen lassen. „Wichtig wäre, dass Hamburg nach Vorbild Münchens richtige ‚Seniorenzentren‘ in den Stadtteilen einrichtet, wo die Menschen sich treffen können“, sagt er. „Dort müsste es hauptamtliche Mitarbeiter geben, die auch Hausbesuche machen, wenn einer sagt: ‚Mein Nachbar geht nicht mehr raus‘.“
Für Klönbank-Befürworterin Kaja Steffens sind das „zwei Paar Schuh“. Es gehe hier nicht um Treffpunkte im Innern. Es gehe um etwas einfach zu Handhabendes für Junge wie Alte, „die ihre Einsamkeit überwinden wollen“.
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