Interview: „Ich wirke verwegen“
■ Offensiv selbstbewußt: Frau S., 33, oberlippen- und kinnbärtig
taz: Du und dein Bart, wie sieht diese Beziehung aus?
Frau S.: Er wächst und gehört zu mir. Ich denke, er unterstützt mein Image, paßt zu meinen Klamotten, zu mir als Butch. Er verstärkt das, was ich nach außen tragen will. Als cool würde ich das nicht bezeichnen, cool sind die gestylten Drag Kings, die sich das Bärtchen ankleben. Ich wirke eher verwegen und abenteuerlich.
Was hältst du als Bärtige von der Drag-King-Bewegung?
Da gibt es Unterschiede. Viele würde ich als Wochenendbutches bezeichnen. Die Drag Kings, die sich mal für ein Fest schick stylen und den Bart ankleben, die meiden den Kontakt zu mir. Das könnte allerdings auch gut auf Gegenseitigkeit beruhen. Insgesamt halte ich aber sehr viel von Drag Kings, ich finde das Verwischen der Geschlechtsidentitäten auch in der Öffentlichkeit sehr wichtig. Wenn das nur auf Partys passiert, spielt es sich ja schon wieder hinter verschlossenen Türen ab. Natürlich ist es schön, sich einfach mal zu verkleiden, aber noch besser wäre eine öffentlich sichtbare Bewegung.
Was sind die häufigsten Reaktionen auf deinen Bart?
Ich werde meistens erst für einen Mann gehalten, und wenn die dann merken, ich bin eine Frau, spüre ich Irritation bis hin zu offenem Ekel. Wie das immer ist, wenn die Geschlechtskategorien ins Schwanken geraten. Sich als Butch und Femme auf der Straße zu zeigen hat etwas sehr Offensives, weil eindeutig Sexuelles. Deswegen wird dem auch so aggressiv begegnet, und daher hat das bei mir nie nur mit meinem Bart zu tun, sondern mit meinem gesamten Auftreten als Butch.
Macht ein Bart stark und frei, wie das in historischen Abhandlungen über Bärte bei Männern zu lesen ist?
Das ist überspitzt ausgedrückt. Aber wenn du dich entscheidest, deinen Bart zu tragen, entwickelst du mit der Zeit eine sehr selbstbewußte Haltung der Welt gegenüber. Hier bin ich, und wer mich so nicht will, kann mir den Buckel runterrutschen. Auf Ämtern oder Banken gehe ich auch immer mehr dazu über, mein Aussehen durch Stylen in Anzug und Schlips noch zu unterstreichen. Oder ich gehe zusammen mit meiner Freundin, die sich dann als Femme rausstylt, hin. Das ändert nicht die Reaktionen der anderen, aber das ändert meine Haltung, wir amüsieren uns dann wenigstens dabei. Interview: Silke Buttgereit
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