„Ich lass' das mal so stehen“

■ Alle Schulabgänger kriegen einen Job, verspricht SPD-Bundestagskandidat Uwe Beckmeyer. Die Bremer Nöte passen nicht recht zu seiner Berliner Vision

Richtig laut wird der Kandidat immer dann, wenn er auf den politischen Gegner kommt. „Wenn die an die Macht kommen, werden uns noch allen die Augen tränen.“ Und: „Wir werden eine Republik erleben, wie wir sie so nicht gekannt haben.“ Uwe Beckmeyer, SPD-Bundestagskandidat, ist auf Wahlkampftour.

Im Jugendfreizeitheim Findorff, Mittwochabend. Wahlplakate an der Wand. „Mit Kritik können wir leben. Mit Jugendarbeitslosigkeit nicht“ steht auf einem, darunter der Kanzler im Profil, adlergleich. Darunter wiederum sitzt Beckmeyer. „Ich komme aus der Bürgerschaft, deshalb hab' ich so'n Schlips um“, erklärt er sein wenig Freizi-gemäßes Outfit, besieht das Publikum, wird gewahr, dass von den knapp 30 Personen die meisten längst nicht mehr jugendlich und von den wenigen Jugendlichen die meisten Jusos sind, und korrigiert: „Ich will ehrlich sein: Ich trag' häufig Schlips.“

Dann also los. Der Kern der Beckmeyer-Botschaf: „Jeder, der aus der Schule kommt, soll am Ende nicht auf der Straße sitzen.“ Ausbildungsplatz oder Job, das sei garantiert. Und 10.000 Ganztagsschulen bis 2007. Zwei Milliarden Mark jährlich will die neue Regierung in spe dafür geben. „Am Ende des Tages“, sagt Beckmeyer und das sagt er oft, „am Ende des Tages ist das, was wir im Wahlprogramm beschrieben haben, der Königsweg.“

Das sehen die anderen nicht ganz so. Qualifizierte Ausbildungsplätze müssten es schon sein, sagt Henner Günther, Jugendbildungsreferent vom DGB. „Keiner will nur'n Job machen. Das Ziel ist ein Ausbildungsplatz“, erklärt auch Patrick Held. Er muss es wissen. Er arbeitet im Berufsberatungsprojekt des Freizeitheims, einem Projekt, das seit sechs Jahren Jugendlichen auf die Sprünge hilft, mit einer Vermittlungsquote von rund 45 Prozent in den ersten Arbeitsmarkt. Doch während er und seine Kollegin Ursula Huf täglich Karrieren in Gang bringen, sind ihre eigenen Stellen nur von Jahr zu Jahr gesichert. Kommende Woche entscheidet die Arbeitsdeputation über die Absicherung der Stellen, wieder nur für ein Jahr. „Ich kann es nicht mehr hören“, sagt deshalb irgendwann entnervt die Leiterin des Freizeitheims, Jutta Schöpp, und deutet auf Adler-Schröder. „Ihr macht hier so tolle Arbeit, heißt es dauernd. Trotzdem müssen wir jedes Jahr um diese beiden Stellen kämpfen.“

Der Mann, der nach Berlin will und dafür Bremer Stimmen braucht, spricht von den komplizierten EU-Förderungen und davon, dass er sich für Projekte wie das Findorffer auch eine „größere Stetigkeit“ vorstellen könnte. „Ihr macht hier sehr gute Arbeit“, sagt er, „ihr habt euch mit Europa-Mitteln –“, er sucht nach Worten. „In eine hervorragende Position gezogen, genau“, sagt Ursula Huf. „Es ist ja auch toll“, sagt Beckmeyer und findet zurück zu seinem Thema: „Man braucht euch, mit solchen Ideen. Und noch viel mehr. Das zeigt, dass Geld fehlt. Ein ständiger Fluss von Geld.“ Der Herr mit den 18 Prozent werde das bestimmt nicht bringen, sagt Beckmeyer, wird lauter, wird röter, warnt vor dem FDP-Ziel der geringeren Staatsquote und donnert: „Das muss man sich vorstellen. Da werden Milliarden nicht ausgegeben! Da bleiben immer welche auf der Strecke!“ Ein Mädchen, erkennbar nicht von den Jusos, wagt einzuwenden: „Das bleiben sie doch auch. Das wird sich nach der Wahl nicht ändern.“

Bevor das Schweigen laut werden kann, sagt Moderatorin Antje Grotheer: „Dann sammeln wir jetzt nochmal weiter.“ Und befragt den DGB-Mann nach einer Ausbildungsplatzabgabe, die der natürlich will, Beckmeyer für die SPD aber höchstens auf freiwilliger Basis. Uwe Beckmeyer, Ex-Physiklehrer, Ex-Arbeits- und Ex-Häfensenator, findet schließlich den gemeinsamen Nenner für seine Berliner Karriere und die Bremer Nöte: „Ihr unterstützt mich bei der Beschaffung der Kohle“, ruft er in den Raum, „und hier passiert was.“

Viel Geld helfe nicht unbedingt viel, erklärt da Uwe Lange vom Beschäftigungsträger BRAS, erzählt von den wenigen Jugendlichen, die auch ohne BRAS einen Job bekämen, und von den vielen, die regelmäßiges Erscheinen erst lernen müssten und den Partnerbetrieben nicht wirklich zuzumuten seien. „Da geht es weniger ums Geld“, sagt Lange leise, „die ganze Gesellschaft müste ausstrahlen: Ihr seid erwünscht.“ Und was die vielen Berufsberatungs- und -vermittlungsprojekte angehe, da solle man mal die Förderung nach den Bilanzen ausrichten. Alles andere kränke Menschen wie die vom Jugendfreizeitheim. „Das, was Sie sagen“, spricht da der Kandidat, „ist von hoher Ehrlichkeit. Ich lass' das mal so stehen.“ Susanne Gieffers