: Ich glotz Te-Vau. Genau
■ BLUE BOX und GAK zeigen den Marler Video-Kunst-Preis in der Weserburg: Künstlerinnen für's Gespräch, viel technisch Ornamentales und Schweinchen im Balettrock
„Video an deutschen Hochschulen? Teufelszeug! Schweinkram!“
-„Augen zu!“, meint der Video-Künstler Axel Klepsch aus Düsseldorf. Der Schöpfer der Maschinen: unrasiert, mit Glatze, steht er als archaisches Untier vor dem Blendwerk des elektronisch-babylonischen Turms. Der dialektische Wettstreit zwischen dem intellektuellen Metallwesen und dem emotionalen Fleischberg beginnt. Das High-Tech-Nirwana scheint in greifbare Nähe gerückt, da läuft die heilige Allianz wieder aus dem Geleise. Ganz so ernst und tragisch will keines der Videos im ersten Programmblock die Auswirkungen des Medienzeitalters sehen. „Ich glotz Te-Vau“
-dieses mutige Bekenntnis der Pop-Nudel Nina Hagen steht unverkennbar als Motto über dem video-reflektorischen Abend.
Im Takt geht's weiter. LiebhaberInnen kongenialer Bild-und Ton-Rhythmen erhalten ihre Befriedigung vor allem mittels massiver Unterstützung neuer und allerneuester Technik. Hier erliegt Videos Kunst dem Ornament, die kindliche Lust am Spiel ist ur
sächlicher Antrieb und einziges Kapital. In den Credits taucht das Musen-Mekka der Moderne auf: New York City. Wie ist diese Moderne doch belanglos-altmodisch. Da rührt nichts an, bleibt alles nett, lassen sich keine Merkmale unterscheiden. So ist das rosarote Porzellanschweinchen im Ballettrock (aus „Believe it or not“) nur das Spieglein, in welchem sich die Technik selbst hofiert.
Es ist beruhigend, daß das Adolf-Grimme-Institut in Marl seinen Fernsehpreis den Inhalten vermachte. Förderpreisträgerin ist die Griechin Angela Melitopulos mit „AQUA SUA“. Einmal mehr wird hier Wasser als das Symbol für Leben in den Mittelpunkt gerückt. Erstaunliche Farb-und Figuren-Spiele findet sie in den Spiegelungen des nassen Elements. Vor allem in „Believe it or not“ wird deutlich, daß die Technik der Natur bei weitem nicht so überlegen ist wie immer beschworen wird.
Zum Sieger kränzte man auch das kurze Band „Der Herzschlag des Anubis“ von Maria Vedder und Betina Gruber. Anubis, der
Held, ist der altägyptische Totengott, der in einem Boot die Seelen ins Reich der Toten übersetzt. Es ist Nacht, wie ein anderes Tableau, sich drehende Eulen, verkündet. Aber Anubis wird gerufen. Ein Mann, aufgebahrt wie ein Toter, bläst mit einer modifizierten Karnevalströte nach seinem letzten Helfer. Der jagende Gepard, auf den Kopf eines Hundes projiziert, vollstreckt schließlich den Tod. Anubis‘ ist nur noch einen Herzschlag entfernt.
Die ZuschauerInnen werden heute abend die einmalige Gelegenheit haben, dieses und andere Werke des KünstlerInnengespanns in einer Werkschau zu erleben. Maria Vedder und Bettina Gruber haben sich als erläuternde Gäste in den Räumen der GAK angesagt.
Roland Mayer
Heute, 20 Uhr, Weserburg/Teerhof 20 D, Video-Werkschau mit Gruber/Vetter bei Anwesendheit der Künstlerinnen. Bis zum 26.1.: Tournee-Programm des 3. Marler Video-Kunst-Preise mit 16 deutschen Videoarbeiten von '86-'88 in täglich wechselnden Programmblöcken, jeweils 20 Uhr
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