IPCC-Zwischenbericht: Marktversagen bei Erneuerbaren

Zurzeit trifft sich der UN-Klimarat IPCC in Abu Dhabi, um über Energieszenarien zu sprechen. Ein unveröffentlichtes IPCC-Gutachten zeigt: weltweit nur 0,4 Prozent Erneuerbare.

Klappt es noch mit der Energiewende? Oder kommen dunkle Zeiten mit Extrem-Wetter und globaler Erwärmung? Bild: Kevin Dooley | CC-BY

BERLIN taz | Zwei Monate nach dem Atomdesaster von Fukushima ist die Meinung in Deutschland einhellig: Die Energien der Zukunft sind die Erneuerbaren. Auf der globalen Ebene ist das überhaupt nicht so klar. "Für den internationalen Klimaschutz mit hohen Anteilen an Erneuerbaren Energien wird über die nächsten Jahrzehnte ein struktureller Wandel in den heutigen Energiesystemen benötigt", schreibt der UN-Klimarat IPCC ("Intergovernmental Panel on Climate Change") in einem bislang unveröffentlichten Gutachten, das der taz vorliegt.

In dem Bericht, den die UN-Mitglieder an diesem Wochenende beim turnusmäßigen IPCC-Treffen in Abu Dhabi diskutieren, trägt das Gremium aus Wissenschaftlern und Politikern sehr vorsichtig und konservativ Zahlen und Argumente zusammen, wie der Ausbau von Energie aus Wind, Sonne und Biomasse zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen kann. Das Fazit: Wirksamer Klimaschutz sei "ohne die Option der Erneuerbaren möglicherweise nicht erreichbar" – aber einfach wird das nicht.

Das liegt schon an der Ausgangslage. Denn "erneuerbare Energie" bedeutet weltweit in den meisten Fällen: Heizen und Kochen mit Holz und Dung: Etwa 13 Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauchs basieren nach Zahlen der internationalen Energieagentur IEA auf erneuerbaren Energien, 10 Prozentpunkte davon aber auf "Biomasse", die zu mehr als der Hälfte in "traditioneller" Weise genutzt wird.

Weltweit nur 0,4 Prozent der Energieerzeugung

19 Prozent des weltweiten Stroms stammt aus den regenerativen Energien, aber 16 Prozentpunkte davon kommen aus großen Staudämmen, die ökologisch bedenklich sind. Die Entwicklung von modernen und umweltschonenden Energieformen wie Windkraft, moderne Biomasse oder Solarenergie zeigt zwar rasante Zuwachsraten, machte aber bis 2008 - der Datenbasis des Reports - weltweit nur 0,4 Prozent der Energieerzeugung aus.

Deshalb ist das IPCC vorsichtig, die Perspektiven nicht zu rosig zu malen. Immerhin sei "wirtschaftliche Entwicklung in der Geschichte bisher immer mit hohem Energieverbrauch und hohen Emissionen von Treibhausgasen verbunden gewesen". Und ohne technologische Durchbrüche werde das Öl auch weiterhin "das Energiesystem der Zukunft dominieren", heißt es in dem Text.

Zwischenbilanz zum 5. Sachstandsbericht

Dieser "Sonderbericht über erneuerbare Energiequellen und die Bekämpfung des Klimawandels" der Arbeitsgruppe III des IPCC dient als Zwischenbilanz auf dem Weg zum 5.Sachstandsbericht, der in einigen Jahren erwartet wird. Der Textentwurf, der der taz vorliegt, wird von den Delegierten am Wochenende abschließend diskutiert und am Montag veröffentlicht. Wie alle IPCC-Berichte ist er ein sorgfältig ausbalanciertes Dokument, das 164 Studien zu dem Thema ausgewertet hat, den Stand der wissenschaftlichen Debatte zusammenfasst und trotzdem von allen Staaten – auch den Klimabremsern und Ölländern – mitgetragen werden muss.

Dennoch sind die Fakten und Aussagen des Berichts klar: Strom aus Erneuerbaren hat die beste Klimabilanz, auch gegenüber der "sauberen Kohle", bei der das Kohlendioxid im Boden gespeichert wird. Das "Risiko schwerer Unfälle" ist geringer als bei anderen Techniken. Zwischen 2010 und 2050 könnten die Erneuerbaren je nach Ausbau zwischen 15 und 30 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen einsparen, weil ihre Kapazitäten je nach Szenario dreimal bis zwanzigmal so stark ausgebaut werden wie heute. "Die ambitionierteste Zahl in den Szenarien ist ein Anteil von 77 Prozent an der globalen Stromversorgung in 2050", lautet die hoffnungsvolle Botschaft.

Kosten für 10 Jahre zwischen 1,4 und 5,1 Billionen Dollar

Kosten würde dieser Ausbau im ersten Jahrzehnt zwischen 1,4 und 5,1 Billionen Dollar. Das IPCC betont allerdings, dieser gewaltige Kapitalbedarf müsse mit den Einsparungen für fossile Energien verrechnet werden und aus vielen Quellen kommen – keinesfalls sind es einfach Kosten, die die Steuerzahler tragen müssten.

Der Report erwähnt schließlich auch, dass die erneuerbare Energien mit "Marktversagen" zu kämpfen haben: Forschungsergebnisse kämen nicht nur dem Investor, sondern der gesamten Gesellschaft zugute, was Ausgaben für Forschung erschwere. Und die externen Kosten der fossilen Energien würden ihnen kaum zugerechnet. Alle Szenarien zeigen aber laut IPCC, dass es jedenfalls nicht am fehlenden technischen Potenzial liege, wenn die Erneuerbaren es schwer haben: Immerhin würden in den Rechnungen auch bei massiven Ausbau der Techniken 2050 "weniger als 2,5 Prozent des globalen Potenzials von erneuerbaren Energien genutzt."

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