INTERVIEW: „Wir gewinnen die Wahlen und ich werde Präsident Angolas“
■ Jonas Savimbi, Chef der angolanischen Rebellenbewegung Unita, über das neueste Waffenstillstandsabkommen und die Zukunft Angolas
Nach über 15 Jahren Bürgerkrieg haben die marxistische Regierung Angolas und die von den USA unterstützte und von Jonas Savimbi angeführte Guerilla Unita in der Nacht zum Donnerstag in der portugiesischen Stadt Estoril einen Waffenstillstand vereinbart.
taz: Was hat den Friedensvertrag möglich gemacht, den Sie vorgestern paraphierten und den Sie am 30.Mai zusammen mit Angolas Staatschef Eduardo dos Santos unterzeichnen wollen?
Jonas Savimbi: Es gibt eine Reihe von Gründen. Die Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR ist von Kooperation abgelöst worden. Beide Großmächte haben im Verhandlungsprozeß, der zur Paraphierung des Friedensvertrages führte, bis zuletzt eine wichtige Rolle gespielt. Geholfen hat uns auch die demokratische Revolution in den Ländern Osteuropas. Die UdSSR, Ungarn und die CSFR haben ihre jahrelange Unterstützung für die MPLA inzwischen eingestellt. Ein anderes hilfreiches Element war, daß der Unabhängigkeitsprozeß Namibias mit dem Abzug der kubanischen Soldaten aus Angola verknüpft wurde. Auch die Reformen in Südafrika haben indirekt dazu beigetragen. Der wichtigste Grund ist jedoch: Die MPLA und die Unita haben erkannt, daß keine Seite im Bürgerkrieg einen entscheidenden militärischen Sieg erringen kann und daher Verhandlungen der einzige Weg zur Lösung des Konflikts sind.
Es hat schon 1989 einen unter anderen von Zaires Staatschef Mobutu vermittelten und von Ihnen und dos Santos per Händedruck in Gbadolite besiegelten Waffenstillstand gegeben. Er wurde nach wenigen Tagen von den Armeen der MPLA wie der Unita gebrochen. Sehen Sie jetzt Chancen, daß dasselbe in den Wochen bis zur Unterzeichnung des Abkommens nicht wieder passiert?
Frühere Initiativen für ein Friedensabkommen waren nicht fair. Das gilt auch für Gbadolite. Das war zwar eine gut gemeinte Initiative afrikanischer Staatschefs. Doch wurden für die Unita und für die MPLA verschiedene Maßstäbe angelegt. Das war für uns nicht akzeptabel. Doch diesmal haben wir — unter Vermittlung von USA, UdSSR und Portugal — direkt mit der MPLA geredet. Wir hatten dabei eine Reihe von Sitzungen ohne die Vermittler. Zum Teil verliefen die Verhandlungen so gut, daß die Vermittler schon Sorge hatten, sie wären überflüssig.
Die Unita ist von vielen afrikanischen Staaten auch lange Zeit deswegen kritisiert worden, weil sie vom Apartheidregime in Südafrika unterstützt wurde. Wie steht es heute um die Beziehungen zwischen der Unita und den afrikanischen Staaten?
Heute sind die Beziehungen zwischen uns und sämtlichen afrikanischen Staaten völlig normal. Es gibt keinen einzigen unabhängigen afrikanischen Staat, der derzeit keine guten Beziehungen zu Unita hat.
Wer wird Mitglied von Armee und Polizei eines künftigen Angola? Wer soll sie kontrollieren?
Der Friedensvertrag sieht vor, daß die bisher rund 300.000 Soldaten der Unita und der MPLA während einer Übergangsphase vom Beginn des Waffenstillstandes bis zu den Wahlen im Herbst 1992 in drei Gebieten des Landes konzentriert und dort von Kontrollpersonal der UNO, der USA, der UdSSR und Portugals überwacht werden. Später soll eine gemeinsame Armee von 20.000 bis 40.000 freiwilligen Soldaten mit gleichen Anteilen aus der MPLA und der Unita gebildet werden. Die bisherige Polizei der MPLA wird zwar weiterhin für die innere Sicherheit zuständig sein, doch unter Beteiligung der gemeinsam von der Unita, der MPLA, der UdSSR, den USA und Portugal gebildeten Kommission, die für die Abwicklung der Übergangsphase bis zu den Wahlen verantwortlich ist. Und wir haben durchgesetzt, daß für den Schutz unserer Führer allein Unita-Sicherheitskräfte verantwortlich sind.
Was sind die Vorstellungen der Unita für die künftige politische Verfassung des Landes?
Wir werden zunächst die freien Wahlen haben, die urprünglich bereits im Januar 1975 vereinbart waren, aber nie stattfanden. Die Unita hat einen Verfassungsentwurf vorgelegt, der jetzt mit der MPLA verhandelt werden muß. Er sieht die bürgerlichen Freiheitsrechte vor, die Pressefreiheit, das Recht auf Privatbesitz, die Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Jurisdiktion. Einen Dissens mit der MPLA gibt es über die Amtsdauer des künftig zu wählenden Präsidenten: Wir schlagen fünf Jahre, die MPLA sieben Jahre vor — jeweils mit der Möglichkeit der einmaligen Wiederwahl.
Was sind ihre Vorstellungen für die wirtschaftliche Zukunft des Landes?
Die zentrale Planwirtschaft, die unserem Land aufgezwungen wurde, hat unsere ökonomischen Potentiale weitgehend nicht zum Zuge kommen lassen. Angola ist aber eines der reichsten Länder des afrikanischen Kontinents. Wir haben alles: Öl, Diamanten, Gold, Kupfer und vieles mehr. Wir streben eine Marktwirtschaft an, in der private Unternehmen die Hauptrolle spielen. Wir arbeiten derzeit an Regelungen für ausländische Investitionen. Sie müssen künftig geschützt werden, Investoren sollen ihre Profite auch ausführen dürfen. Zugleich sollten Investitionen aber an Ausbildungsprogramme für angolanische Arbeitskräfte gebunden werden.
Sie haben — wie der derzeitige Staatschef dos Santos — bereits Ihre Präsidentschaftskandidatur angemeldet. Doch die Unita ist bei vielen Bürgern Angolas wegen ihrer brutalen Menschenrechtsverletzungen berüchtigt. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Die Unita hat über 50 Prozent des Landes befreit und genießt entsprechend große Unterstützung in der Bevölkerung. Der letzte Unita-Kongreß im März hat mich zum Kandidaten bestimmt. Ich bin sehr zuversichtlich, daß die Unita die Wahlen gewinnt und ich Präsident werde.
Es gibt die Behauptung, die Kubaner hätten sehr viele Soldaten in Angola zurückgelassen, die zur Tarnung die angolanische Staatsbürgerschaft angenommen hätten?
Die Kubaner haben sich an die Vereinbarungen (mit den USA und Südafrika, d. Red.) aus dem Jahre 1988 gehalten. Sie waren seitdem in keiner Weise mehr in die Kämpfe zwischen der MPLA und der Unita involviert und leisteten auch sonst keine Unterstützung für die MPLA. Aber es gibt immer noch zwischen 10.000 und 12.000 Kubaner in Angola. 6.000 von ihnen verlassen das Land noch im Mai, der Rest bis zum 30. Juni.
Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen der Unita und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren.
Anders als etwa die britische Regierung, die traditionell keine Opposition in einem Land unterstützt, mit dessen Regierung sie offizielle diplomatische Beziehungen unterhält, hatte die deutsche Regierung immer ein sehr distanziertes Verhältnis zur Regierung in Luanda und stattdessen mit uns ein sehr warmes Verhältnis.
Interview: Andreas Zumach
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