IN MAKEDONIEN STEHT DER WESTEN VOR EINEM SCHERBENHAUFEN: Politik: gescheitert
Dass Makedonien ein Pulverfass sei, ist ein Allgemeinplatz. Vielleicht wurde die Aussage deshalb nie so richtig ernst genommen. Stimmen, die vor einem Krieg in der südlichsten exjugoslawischen Republik warnten, wollte niemand hören – wie immer vor einem größeren Konflikt. Die Perspektive eines friedlichen Südosteuropa, das nach dem Sturz Milošević’ über den Stabilitätspakt nach Europa geführt werden sollte, war wohl einfach zu schön. So konnte es passieren, dass die westlichen Balkanpolitiker übersahen, dass es bei den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien nicht nur um Diktatoren geht – sondern um tiefer greifende historische Prozesse und Auseinandersetzungen.
Die Lunte für den Konflikt in Makedonien wurde mit der UN-Resolution 1244 zum Kosovo gelegt. Anstatt den Kosovaren die Perspektive einer Unabhängigkeit zu geben, wurde taktiert, um das Kosovo schließlich in das Jugoslawien Kostunicas pressen zu können. Die antialbanische Propaganda der letzten Monate, das Hickhack um Wahlen im Kosovo und die Nato-Unterstützung für die jugoslawische Armee sind Beispiele für diese Politik. Für die Albaner gab es seitens der internationalen Gemeinschaft dagegen nur Vertröstungen, Misswirtschaft und Manipulation. Das musste Widerspruch im Kosovo hervorrufen. Und die makedonischen Albaner erhielten so die Gelegenheit, zu lernen.
Mit leeren Worten ist eine demokratische und friedliche Lösung des Nationalitätenkonflikts in Makedonien nicht zu erreichen. Mit den Angriffen der Befreiungsarmee UÇK wurde die internationale Strategie über den Haufen geworfen. Weil die UÇK wusste, dass die albanischen Minderheitsbevölkerung in Makedonien ihr den Rücken stärkte, konnte sie ihren Angriff beginnen – und dann einfach abwarten, was als Nächstes passiert. Die Kalkulation ging auf: Der makedonische Staat reagierte tollpatschig mit Militärmacht. Aber die Haubitzen, die jetzt in Tetovo abgefeuert werden, verschärfen die Lage nur. Und die einsetzende Mobilisierung auf beiden Seiten lässt weitere blutige Auseinandersetzungen wahrscheinlich werden.
Und die Nato? Viel tun können die westlichen Truppen im Kosovo nicht, ohne sich selbst zu gefährden. Auch die EU-kritische Politik der USA ist seit dem Regierungswechsel in Washington und dem Gerede über Truppenrückzug geschwächt worden. Wie jetzt eingreifen, wie Frieden schaffen? Sollen Bodentruppen der Nato gegen die von ihr ausgebildete UÇK kämpfen? Derweil gießen andere weiter Öl ins Feuer: Bulgarien liefert Waffen, Griechenland schickt Truppen in die Albanergebiete des Nordens, Serbien schickt Freiwillige. Der Balkan gerät wieder außer Rand und Band.
ERICH RATHFELDER
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