IN AFRIKAS MUSTERLAND SIMBABWE DROHEN CHAOS UND ANARCHIE: Gefährliches Kalkül
Vor 20 Jahren galt der schlanke, hoch gewachsene Mann als neuer Hoffnungsträger Afrikas, das gerade unabhängig gewordene Simbabwe war ein Lieblingskind der europäischen Linken. Robert Gabriel Mugabe aber, der seither ununterbrochen regiert, hat das ehemalige Rhodesien in den wirtschaftlichen Ruin und an den Rand politischer Anarchie befördert. Auf dem Papier zwar noch demokratisch legitimiert, hat Mugabe es in der Praxis geschafft, einen Einparteienstaat zu bilden, in dem sich die Funktionsträger üppig bedienen, die Bevölkerung aber immer mehr verelendet. Der einstige Musterdemokrat und große Versöhner hat sich zum traurigen Prototypen eines afrikanischen Potentaten gewandelt, dem Machterhalt alles ist und der lieber einen aussichtslosen Raubritterkrieg in einem Nachbarland führt, als sich der selbst verschuldeten wirtschaftlichen und sozialen Misere zu Hause zu stellen. Mit ungesetzlichen Mitteln kämpft der alternde Autokrat nun, da ihm erstmals eine politische Herausforderung droht, um die Hegemonie und nimmt dabei billigend in Kauf, dass Simbabwe ins politische Chaos stürzt. Die Ermordung des ersten weißen Farmers ist ein Alarmsignal.
Mugabes wichtigstes Reformprojekt, eine umfassende Landreform, ist vollkommen gescheitert. Selbst unter den weißen Großfarmern ist unstrittig, dass eine gerechtere Verteilung des Bodens unabdingbar ist. Bedient hat sich bislang jedoch lediglich die Partei-Nomenklatura, und der selbstherrliche Kriegsherr in Harare schert sich nicht um einen bereits ausgehandelten Fahrplan zur Reform. Mugabe hetzt stattdessen die auf, die er um alles betrogen hat: die bettelarme Landbevölkerung, abgerissene Kriegsveteranen und arbeitslose Jugendliche in den Städten.
Bewusst schürt der Präsident den Rassenhass. Das Land unregierbar zu machen und dann einen Vorwand zu haben, die fälligen Wahlen zu verschieben, ist offenbar das Kalkül. Das Spiel aber ist gefährlich. Auch unter Schwarzen wächst der Widerstand gegen sein Regime, und mit dem Gewerkschafter Morgan Tsvangirai hat er erstmals einen ernsthaften politischen Herausforderer, wenn in zwei Jahren Präsidentschaftswahlen stattfinden. Würde Mugabe ins Nachbarland Sambia blicken, könnte ihm eine historische Analogie auffallen. Dort gelang es dem Gewerkschafter Frederick Chiluba 1992 nach Hungeraufständen der Bevölkerung, den Diktator Kenneth Kaunda abzulösen. Es gibt wenig zu feiern, wenn sich morgen die Unabhängigkeit Simbabwes zum 20. Mal jährt. Zumindest das hat auch Mugabe eingesehen, dessen Realitätsferne sonst nahezu pathologische Züge angenommen hat. Die vorgesehenen pompösen Feiern wurden abgesagt. KORDULA DOERFLER
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