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Archiv-Artikel

IM RATHAUSZENTER Hans und Grete

„Nee, nich süß“, sagt die Omi, „Brot ist doch nicht süß!“

Rathauscenter. Zenter, wie der Pankower sagt. Samstagnachmittag. Wir sind diesmal früher einkaufen gegangen, damit ich auch mal Tageslicht sehe. Hat nicht geklappt. Es schneestöbert. Trotzdem haben alle anderen Einwohner Pankows dasselbe auch versucht. „Joghurt, Bier, Orangen, Brot, Gesichtscreme, Bodymilk“, lese ich vor. „Erst mal zu Rossmann“, sagt Paul, „dann können wir auch gleich im Biodings Brot kaufen.“ Bei Rossmann geht es schnell, frohgemut steuern wir die Brottheke der Biocompany an. Wenn der Einkauf so weitergeht, sind wir in 30 Minuten draußen, denke ich.

„Das war so ein dunkles mit Körnern“, sagt eine kleine Omi mit einer riesigen schwarzen Handtasche zu der Frau hinter der Theke. Ein kleiner Opi rüttelt an ihrem Arm. Die Omi lässt sich nicht beirren. „So ein ganz dunkles“, sagt sie. Die Brotverkäuferin ist ausgesucht höflich: „Dunkel sind die alle, und Körner haben die meisten.“ Die Omi starrt grimmig auf das Brotregal und versucht, die Schrift auf den kleinen Schildchen zu entziffern. „So ganz aromatisch war das“, sagt sie. Der Opi rüttelt an ihrem Arm: „Jetzt versuch doch noch mal, dich zu erinnern, wie es hieß, das Brot.“

Es klingt so, als würden die beiden der Krümelsuche in den Erinnerungen der Omi schon eine Weile nachgehen. Ungefähr so erfolgversprechend wie Hänsel und Gretel auf dem Nachhauseweg. „Ja“, sagt die Omi, „das war so ein besonderer Name. So was ganz Originelles.“ „Bernd“, murmelt Paul. „Nee, nich Bernd“, sagt die Omi nachdenklich. „Wissen Sie noch, ob es süß oder salzig war?“, fragt die Verkäuferin. „Nee, nich süß“, sagt die Omi, „Brot ist doch nicht süß! Würzig war das, mit Kräutern.“

„Sie wünschen?“, fragt die Käsefrau. Sie kommt der Brotfrau zu Hilfe. Hinter uns hat sich eine kleine Schlange gebildet. Brot kann vielleicht nicht süß sein, denke ich, aber kleine Omis, die können das. LEA STREISAND