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ILO-Bericht über ZwangsarbeitSchuften für niedrigste Löhne

Zwangsarbeit blüht weltweit, auch in Europa. Die Krise könnte das Problem verschärfen.

Spielt zum Glück nur die putzende Sklavin. Bild: ap

BERLIN taz | Sklaverei ist ein Problem der Gegenwart. Über zwölf Millionen Menschen werden weltweit gezwungen, unter Bedingungen zu arbeiten, denen sie freiwillig nicht zugestimmt hätten. Dies erklärt die ILO (Internationale Arbeitsorganisation) in ihrem gestern vorgelegten Bericht zu Zwangsarbeit weltweit und bekräftigt damit die Angaben, die sie bereits vor vier Jahren in ihrem letzten Bericht zum Thema aufgestellt hatte.

"Zwangsarbeit gibt es fast überall", sagt ILO-Expertin Undine Gröger. Neben körperlichem und seelischem Leid bedeutet das auch Geldeinbußen für die Opfer. Die ILO schätzt, dass Zwangsarbeiter jährlich über 15 Milliarden Euro verlieren, da sie für niedrigste Löhne schuften. Oft müssen sie ihrem Arbeitgeber überteuertes Essen und Unterkunft bezahlen.

Besonders in Asien kommt es zu Zwangsarbeit. Etwa 10 Millionen Kinder und Erwachsene werden hier - manchmal auch sexuell - ausgebeutet. Die Zwangsarbeit ist meist schwierig aufzudecken, da sie häufig in abgelegenen Regionen stattfindet und nur durch Katastrophen ans Licht kommt wie bei einem Minenunglück 2006 in der chinesischen Provinz Shaanxi, bei dem 56 Bergleute starben.

In Europa ist Zwangsarbeit hauptsächlich das Ergebnis illegaler Migration. Zwangsarbeit gibt es auf dem Bau, in der Küche oder bei der Ernte. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien ist Zwangsarbeit im Haushalt ein Problem. Viele Hausangestellte - meist Frauen - werden beschimpft, geschlagen oder missbraucht. In Frankreich und England unterstützen gemeinnützige Vereine die Betroffenen. Für Deutschland fordert Gröber: "Es ist wichtig, dass Zwangsarbeiter unterstützt werden und dass man nicht nur die Einwanderungsgesetze durchzieht und sie abschiebt." So sollten etwa einbehaltene Löhne eingeklagt werden können.

Der Bericht warnt, dass sich das Risiko der Zwangsarbeit mit dem Verlust von Arbeitsplätzen durch die Krise verschärfen werde. Die Politik müsse gemeinsam mit Unternehmen und Gewerkschaften an Lösungen arbeiten.

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7 Kommentare

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  • CG
    christoph glünz

    Als ich vor 2 Jahren zu einem 1-EURO job gezwungen wurde war ich auch zuerst total sauer.

    Ich habe diesen Job angetreten, freundlich und pünktlich, aber meine Leistung war ganz genau 1 EURO wert (soweit ich das für mich definiert habe).

    Es hat dann niemand was gesagt: ich wurde also in der konkreten Arbeitssituation nicht gezwungen mehr zu arbeiten(mit Peitsche oder so).Das Ganze endete dann nach 6 Monaten sang und klanglos-fertig.

    Fazit:Zwangsarbeit nur theoretisch nicht praktisch.

  • A
    anorak

    @chrishh: Neoliberale Leier. "Wenn man eine besser bezahlte Arbeit findet" ist eben eine große Hürde, die für viele Menschen unüberwindbar ist, und je größer die Arbeitslosigkeit um so mehr. Nach deiner Logik gibt es nirgendwo Zwangsarbeit, denn jeder hat ja die Möglichkeit reich zu erben.

     

    Arbeitslosigkeit ist halt eine Situation, aus der der Einzelne sich nicht allein befreien kann, er braucht immer jemanden der ihn einstellt, und der findet sich nicht immer. Deshalb sind viele auf Gedeih und Verderb den Konditionen ausgeliefert, die der Gesetzgeber definiert. Und der Gesetzgeber ist neuerdings arrogant und gemein statt fürsorgend. Durch die Zwänge, die er setzt, sind 1-E-Jobs faktische Zwangsarbeit, denn der Betroffene hat als einzige Alternativen verhungern, betteln oder kriminell werden.

     

    Die Leier mit den "Kosten" ist noch mehr Sozialdarwinismus. Menschenrechte sind keine Kostenfrage. Vor den Hartz-Gesetzen ging es ja auch. Natürlich soll man eine angemessene Einkommensteuer haben mit steilerer Progression und höheren Spitzensätzen wie zu Kohl-Zeiten, die die rot-grünen Kanaillen ohne Not gesenkt haben. Dann klappt's auch mit der Umverteilung.

     

    Die Hartz-Gesetze sind reiner Arbeitgeber- und Reichen-Lobbyismus auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung. Ausdrücklicher Zweck war Lohndrückerei und Kuscherei. Propagandistisch begleitet von einem Medien-Trommelfeuer, geschickt eingefädelt indem eine angeblich "linke" Regierung dazu angeheuert wurde.

  • C
    chrishh

    Oh dieses Gejammer! Nein, die Beschäftigungsangebote der Arbeitsagentur und der ARGEn sind keine Zwangsarbeit. Denn man kann jederzeit mit ihnen aufhören, wenn man eine besser bezahlte Arbeit findet. Was wäre denn die Alternative? Nichts tun und staatliche Leistungen kassieren? auf wessen Kosten? Oder staatliche Beschäftigung zu Tariflöhnen aus dem Steuersäckel finanziert? Und wer bezahlt die dafür aufgewendeten Steuern? Ich bin dazu nicht bereit. Die Unternehmen? Die Reichen? Oh heilige Einfalt! Kein Unternehmer muss etwas unternehmen. Wenn es sich für ihn nicht mehr lohnt, weil z. B. die Arbeit zu teuer wird, dann macht er seine Firma dicht oder verlagert sie ins Ausland. Und wenn man die Reichen zu stark besteuert, dann verlassen sie das Hochsteuerland samt Vermögen und zahlen hier überhaupt keine Steuern mehr. Also, kein Lamentieren und keine staatliche Leistung ohne eine persönliche Gegenleistung.

  • W
    Westberliner

    Zwangsarbeit ist also Arbeit, die man bei freier Entscheidungsmöglichkeit nicht machen würde.

     

    Ist dann eine Arbeit, die durch deutsche Behörden wie Arbeitsamt oder das sogenannte "JobCenter" verordnet werden, nicht auch im weitesten Sinne eine Zwangsarbeit?

     

    Beispiel: Ich werde als diplomierter Ökonom zu einer Arbeit für einen monatliches Bruttogehalt von 1.500 bis 2.000 mehr oder weniger zwangsweise verdonnert. Mir ist klar, dass ich davon nicht leben kann, muss "aufstocken" lassen.

     

    Was ist das? Zwangsarbeit oder sozial, wie es die CDU sieht?

  • M
    Maiblume

    Die Hilfsangebote für Opfer sollten verstärkt werden.

     

    Außerdem bin ich für mehr Polizeirazzien in Restaurants, Großküchen, auf Baustellen etc. und dafür die "Arbeitgeber" deutlicher zu bestrafen - und diese Linie öffentlich zur Abschreckung auch als Programm ankündigen.

     

    Und natürlich sollte die allgemeine Lage verbessert werden, z. B.

     

    durch ausreichende Mindestlöhne, mit stark progressivem Anstieg bei Überstunden (ab der 36. Wochenstunde),

     

    höhere ALG Sätze

     

    extrem starke Besteuerung aller Einkommen, die im Jahr mehr als 24.000 Euro übersteigen.

     

    Austrocknung von Steuerfluchtsümpfen

     

    und einen Green New Deal

     

    - Alles, mit Ausnahme des drittletzten Punktes, auch übrigens bei den Bündnisgrünen im Programm, vgl. http://www.gruene.de

  • O
    Oilers-girl

    ...und ist ein "1-€-Job" etwa keine Sklaverei? Eingeführt per Gesetz von einem angeblich demokratischen Staat!(der sich durch die Einführung der EU selbst die Existensberechtigung entzogen hat. Das mal nur nebenbei)

    Zur Erinnerung: Ziviler Ungehorsam ist nicht nur Bürgerrecht, sondern Bürgerpflicht!

    Warauf warten die Sklaven dieser Welt eigentlich noch?!So viele Schiffe kann´s gar nicht geben, daß sie für alle Ausgebeuteten reichen würden, um als Pirat davon leben zu können.

     

    Ach und danke noch mal für das 2.mal "gras" als Schlüsselwort...aber wirklich helfen tut´s ja auch nicht - leider.

  • N
    Nadi

    Es gibt ein Gerichtsprozeß, weil sich ein Student zu einem 1-EURO-Job gezwungen sah. Das erwähnt die ILO natürlich nicht, weil Deutschland zu den Financiers der ILO gehört, die asiatischen Ländern und vor allem jene mit einer ganzen Menge Zwangsarbeit aber nicht.

    Das Arbeitslosengeld II hat eine ganze Menge Reibungspunkte mit dem Grundgesetz und insbesondere die Frage, wann ein Arbeitsloser sich einer Arbeit verweigert oder zu ihr eben gezwungen wird, ist nicht wirklich geklärt. Denn wenn er die Arbeit nicht nimmt, wird ihm sein Leistungssatz suksesszive gesenkte, bis zum vollständigen Wegfall.