■ III. Wahl: „Entenhausener Kurier“-TV
Was läuft eigentlich in den dritten Programmen zwischen 17 und 20 Uhr? Zum Beispiel: DAS!, montags bis sonnabends, 18.45 Uhr, N 3
John F. Kennedy jr.? Brigitte Seebacher-Brandt-Kopper? Alles Luschen! Der Sommerlocher des Jahres ist, zumindest in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und nunmehr auch Berlin bzw. Brandenburg, der vierfache, derzeit flüchtige Mörder Dieter Zurwehme. Sogar einen Doppelgänger hat der Polizei-Austrickser schon.
„Das!“ ist eine regionale Boulevard-Zeitung für die Mattscheibe, und auch wenn sie nicht explosiv ist, sondern seriös, kann auch sie nicht leben ohne solche Verbrecher wie der Mann mit dem seltsamen Namen. So wurde die vergangene Woche quasi zur Dieter-Zurwehme-Woche, dagegen konnten weder „Natalia, die brutalste Zuhälterin Hamburgs“ (sagt man eigentlich auch Ludin oder Loddelin?) etwas ausrichten noch „Deutschlands größte Feldhamster-Kolonie“. Nicht einmal der aus Talkshows bekannte Boogie-Woogie-Terrorist Gottfried Böttger, der hier an einem Beitrag über „Fliegen im Internet“ mitarbeitete.
Die 45-Minuten-Sendung steht für eine Haltung, wie wir sie auch vom Entenhausener Kurier, der Berliner Morgenpost oder dem Hamburger Abendblatt kennen. „DAS!“ war nicht immer so. Einst erntete eine Autorin entgeisterte Blicke, als sie nach einer Abtreibungsdebatte im Bundestag männliche Abgeordnete fragte: „Wie verhüten Sie?“ Ein andermal planschte eine Redakteurin im Bassin und schlug – es war gerade Fußball-EM – nach einem Aal namens Berti, während sie über verschiedene Fischtötungsarten referierte.
So etwas ist heute, achteinhalb Jahre nach dem Start der Sendung, kaum denkbar. Gelacht werden darf immer noch, aber der Witz geht dann leider so: Fragt der Moderator sinngemäß: „Wie ist es denn gerade in Bonn?“ Sagt Studiogast Friedrich Nowotny: „Sie müssen aufpassen, dass sie nicht vom Möbelwagen überfahren werden.“ René Martens
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