III. Teil der Hamburger Talkreihe: "Die Aufregendste seit Hans Jürgen Wischnewski"
Im Hamburger Fleetstreet-Theater unterhielt sich Moritz von Uslar diesmal mit der Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel. Ein Abend mit recht vielen SPD-Klischees und großem Veränderungswillen.
Die ersten beiden Sitzreihen sind in der Hand von Best-Agern: hohe Jackettdichte, farbige Hornbrillen. Dahinter junge Schauspieler, Journaille von den großen Medienhäusern, sonstige Milieuvermischung: null. Schade eigentlich, denn "Keine Diskussion III" ist angesetzt, dritter Teil der Talkreihe im Hamburger "Fleet Street"-Theater.
Draußen geht der Wahlkampf in die letzte Runde, drinnen empfängt der Gastgeber, Spiegel-Kulturredakteur Moritz von Uslar, die neue Juso-Vorsitzende. Für eine Franziska Drohsel brauche es die "Günter-Gaus-mäßige"-Begrüßung, setzt von Uslar an. Von der Atmosphäre aus der Gaus-Diskussionssendung "Zur Person" allerdings keine Spur. Im Publikum glimmt eine letzte aufrechte Zigarette. Die Verkaufsshow-Superlative hätte sich Günter Gaus auch gespart: "Die treueste und hellste Jusovorsitzende, die es je gab", sei Drohsel; die "aufregendste seit Hans Jürgen Wischnewski", steht in der Programmankündigung.
Im November 2007 fielen auf Franziska Drohsel 75,6 Prozent aller Stimmen. Das ist das beste Ergebnis bei einer Jusowahl seit 1969. Bekannt wurde die neue Vorsitzende allerdings eher durch den Umstand, dass sie aufgrund öffentlichen Drucks ihre Mitgliedschaft in der "Roten Hilfe" aufgab. Aus taktischen Gründen? "Nein. Na ja, doch, klar, weil meine private Mitgliedschaft in der Roten Hilfe nicht wichtiger ist als meine Juso-Mitgliedschaft." Trotzdem sei die "Rote Hilfe" eine gute Sache, weil sie Leuten Beistand gewährt.
Mit Rechtshilfe kennt sich die 27-jährige Berlinerin aus. Sie geht oft auf Demonstrationen, denn sie "möchte was verändern". Von Uslar hebt die Augenbrauen. Genua, sei ihr persönlicher Tiefpunkt gewesen, sagt Drohsel, den Krieg im Kosovo benennt sie altersgemäß als prägendes Ereignis, nicht die Maueröffnung. Gerade schreibt sie an ihrer Doktorarbeit in Jura, über Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit.
Öfter an dem Abend gibt es Widersprüchliches von ihr zu hören. Dass die Feindbilder nicht mehr so einfach zu benennen sind, muss auch der Gastgeber erfahren, der von Gutmenschentum bis schlimmes Aussehen noch jedes SPD-Klischee auffährt. Reflexartig erklärt er einmal die CDU zum "Pop des Verbotenen" und setzt Linkssein mit Schalträger Christian Ströbele (Grüne) gleich, der "festgeranzt im Kopf" sei. Uslars schwarzweißer Pianoschal ist aber auch nicht ganz koscher.
Natürlich geht es ständig um Drohsels Aussehen. "Attraktiv und voller Ideen", titelte Bunte. Sie sei ein richtig anstrengender Teenager gewesen, erklärt sie. "Kurt Cobain hören, Schulstreik organisieren und normal viel Haschisch." Andererseits mag sie keine Show, sagt sie. Drohsels Eltern - Vater Berufsschullehrer, Mutter zurzeit arbeitslos - seien geradezu ideale Sozialdemokraten, behauptet von Uslar. Stimmt doch gar nicht, wendet Franziska Drohsel ein. Die sind nicht mal Parteimitglieder, mit denen streite sie sich oft. Dann noch eine Hallo-Papa-Frage: Kann man links bleiben, oder muss man rechts enden? Differenzierter, vorsichtiger, aber auch radikaler möchte Franziska Drohsel im Alter werden. JULIAN WEBER
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