: IG–Metall Kampagne gegen Apartheid
■ Bundesdeutsche Unternehmen in Südafrika sollen einem neuen Verhaltenskodex vertraglich zustimmen
Südafrikas schwarzen Gewerkschaften droht das Aus. Mit einem neuen Arbeitsgesetz will Pretoria sie politisch ausschalten. Heute trifft sich der Dachverband COSATU, um seine Gegenmaßnahmen zu diskutieren. Zur Unterstützung der südafrikanischen Kollegen hat die IG–Metall auf einem Kongreß einen Verhaltenskatalog für deutsche Unternehmen am Kap erarbeitet, mit dem die Konzerne verpflichtet werden sollen, bestimmte Mindeststandards gegenüber ihren schwarzen Arbeitern einzuhalten.
Selbst Johan Trotskie hält ihn für „harmlos“. Mit dem von der IG– Metall und der südafrikanischen Metallgewerkschaft NUMSA vorgeschlagenen neuen Verhaltenskodex für deutsche Firmen in Südafrika habe er „nur geringfügige Probleme“. Doch der braungebrannte ältere Mann ist keinesfalls ein Enkel des russischen Revolutionärs mit gleichlautendem Namen, sondern der Präsident des größten südafrikanischen Unternehmerverbands und Personalchef von Siemens Südafrika. Daß die neuen gewerkschaftlichen Mindeststandards, mit denen das vom Apartheid–Regime geplante Gesetz zur weiteren Knebelung der Gewerkschaften unterlaufen werden soll, auf so wenig Widerstand stößt, müßte die Initiatoren bedenklich stimmen. Auf der Südafrika–Konferenz der IG–Metall am Donnerstag und Freitag in Frankfurts Bürostadt Niederrad gaben sich die Gewerkschafter jedoch ungehalten. Sie klagten das Schweigen bundesdeutscher Firmen in Südafrika zur ständig wachsenden Unterdrückung der schwarzen Opposition und der Gewerkschaften an. Der furchtlose Mann aus dem anderen Lager wurde dagegen für seinen Mut gelobt, sich in die Höhle des Löwen gewagt zu haben. Immerhin saßen den drei Vertretern der Arbeitgeberseite über 60 (fast ausschließlich männliche) Gewerkschafter gegenüber. Nach Verhängung des Ausnahmezustands vor zwei Jahren und dem praktischen Verbot der schwarzen Opposition im Februar will das Apartheid–Regime nun ein Gesetz verabschieden, das den Gewerkschaften als einzig verbliebener Gegenmacht jegliche politische Betätigung verbietet. Selbst Sympathiestreiks sollen illegal werden, befürchtet der Rechtsberater der südafrikanischen Gewerkschaften, Halton Cheadle, auch wenn für die Wiedereinstellung von gekündigten Kollegen gestreikt wird. Dem seit 1987 im Parlament anhängigen Gesetzesvorschlag zufolge werden auch Warnstreiks unzulässig sein. Für die Gewerkschaften gehe es jetzt ums Überleben, erklärte der Präsident des Südafrika–Rates des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes (IMB). Deshalb sei es wichtig, daß die deutschen Unternehmen in Südafrika ihre bisherige Politik aufgäben und sich verpflichteten, die von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Mindeststandards einzuhalten. Sie sollen auf Vorteile verzichten, die sich aus dem Apartheid–System im Allgemeinen und aus den Ausnahmegesetzen im Besonderen ergeben. Darüber hinaus werden die deutschen Unternehmen in Südafrika aufgefordert, die vom Apartheid–Regime geplanten neuen Arbeitsbestimmungen zu ignorieren, falls diese wirklich Gesetz werden. Statt dessen sollen sie sich an die mit den Gewerkschaften ausgehandelten betrieblichen Vereinbarungen halten. Dazu zählen laut IG–Metall Chef Steinkühler die Anerkennung des Streikrechts, die Verhandlungsbereitschaft der Unternehmen mit der zuständigen Gewerkschaft auf Betriebsebene, das Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betriebsgelände, Rechte für die gewerkschaftlichen Vertrauensleute, sowie ein Vertretungsrecht der Gewerkschaften für ihre Mitglieder bei Disziplinar– und Beschwerdeverfahren. Anders als bei dem als „lendenlahm“ kritisierten EG–Kodex, dessen 1976 verabschiedeten Verhaltensregeln für EG–Unternehmen in Südafrika vage und nicht bindend waren, wollen die Gewerkschaften dieses Mal darauf dringen, daß die neuen Mindeststandards auch eingehalten werden. Deshalb sollen die deutschen Unternehmer am Kap verpflichtet werden, den jeweiligen südafrikanischen Gewerkschaften und dem Konzernbetriebsrat gegenüber Rechenschaft abzulegen. Hält sich ein Unternehmen nicht an den Vertrag, könnten die Gewerkschafter dann den Fall vor ein Gericht bringen. Der EG–Kodex hatte es den rund 300 bundesdeutschen Unternehmen in Südafrika noch überlassen, ob sie - anonym - einer europäischen Behörde Angaben zu ihrem Verhalten in Südafrika machen wollten. Was aber passiert, falls sich die Unternehmen trotzdem nicht an die neuen Mindeststandards halten? Nach deutschem und internationalem Recht könnte die IG–Metall die Unternehmen mit einem Erzwingungsstreik unter Druck setzen. Dafür gibt es noch keinen Präzedenzfall, aber wahrscheinlich auch keine Notwendigkeit: Wie Siemens Trotskie schon zu Beginn der Konferenz wußte, ist der neue Kodex harmlos, weil er erst noch in den jetzt anstehenden Verhandlungen mit den deutschen Unternehmen auf ein für sie erträgliches Maß zurechtgeschnitten werden wird. Trotskie kündigte an, daß er neun von zwölf Vertragspunkten zustimmen könne, lediglich bei drei gebe es Probleme. Welche drei wollte er nicht sagen. Spekuliert wird nun, ob die Unternehmer der politischen Präambel nicht zustimmen wollen, die sie verpflichten würde, allgemein auf Vorteile zu verzichten, die sich aus den Apartheid–Strukturen ergeben. Michael Fischer
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