ICH MENSTRUIERE : Voll beschäftigt
„Klar habe ich heute was gemacht“, verteidige ich mich. „Ich habe menstruiert!“ Es ist keiner da, mit dem ich rede; ich verteidige mich mir selbst gegenüber. Das muss ich, denn so ganz geheuer ist es mir nicht, den ganzen Tag nichts zu tun außer eben zu bluten – auf die Idee wäre ich nicht selber gekommen. Bin ich auch nicht.
„Ich menstruiere“, sagt eine Freundin von mir immer dann, wenn ich sie anrufe und sie das gerade auch tut. Egal, was ich vorschlage – Kino, essen, einfach nur treffen –, sie lehnt es ab. „Nö, heute nicht“, sagt sie und klingt stolz und zufrieden zugleich. „Ich mache heute nur eins: Ich menstruiere.“ Nachdem ich das fünfmal gehört hab, will ich’s dann auch mal probieren. Oder eher: So bewusst ist die Entscheidung gar nicht, mein Körper entscheidet das einfach. Plötzlich liege ich faul auf dem Sofa, schreibe nicht, checke keine Mails und gehe auch nicht an die Tür, als es klingelt. „Nix da“, denke ich. „Ich menstruiere.“ Gut fühlt sich das an. Nur sekundenweise kriege ich dann doch ein schlechtes Gewissen: Keine Krämpfe, keine Schmerzen, einfach so liege ich rum. Sollte ich nicht doch mal was machen? „Bestimmt“, denke ich und rappele mich hoch, klappe den Laptop auf. Aber schon, als ich mein Passwort eingeben soll, wird’s mir zu viel. „Klar“, denke ich und klappe wieder zu. „Dann menstruiere ich halt.“
Eine Stunde menstruiere ich so rum, dann klingelt auf einmal das Handy. Ich strecke die Hand aus – das krieg ich noch hin – und schaue aufs Display. „Oje“, denke ich und zucke zusammen. „Jobangebot.“ Kurz stell ich mir vor, wie ich rangehe: „Text schreiben bis morgen, was sagste?“ – „Nö, heute nicht. Ich menstruiere.“ So richtig habe ich das dann aber doch noch nicht drauf. „Ist jetzt nicht, weil’s ein Tabuthema ist“, beruhige ich mich und lausche dem Klingeln. „Nächstes Mal geh ich ran. Oder auch nicht. Schließlich hab ich schon was zu tun: Ich menstruiere.“ JOEY JUSCHKA