■ IBM kann die Softwarefirma Lotus schlucken: Die verkaufte Revolte
Der 64-Milliarden-Dollar-Konzern IBM kauft mit Lotus ein Unternehmen, das eine Milliarde Dollar Umsatz im Jahr macht. Das haut eigentlich erfahrene Wirtschaftsbeobachter nicht um, auch wenn International Business Corporation für die Softwarebranche rekordträchtige 3,5 Milliarden Dollar an die Aktionäre von Lotus bezahlt. Warum also darüber reden? Weil Computer und ihre Netze tierisch in sind, natürlich. Und weil seit der Erfindung der Dampfmaschine die Produktivität nicht mehr so schlagartig in die Höhe getrieben wurde, wie es in den nächsten Jahren mit all den vernetzten Rechnern passieren wird. Und dann werden diejenigen Firmen richtig mächtig werden, die die Grundlagen kontrollieren, nämlich die copyrightgeschützte Software.
Schon schien sich parallel zum Machtgewinn der Informationsindustrie eine aufstrebende, revolutionäre Schicht innerhalb der Branche zu bilden. Aufsteiger wie Microsoft, Lotus oder Novell rüttelten mit stetig steigenden Marktanteilen und Gewinnen an der Herrschaft der alten Giganten wie IBM oder Siemens. Doch der Umsturz tritt nicht ein, denn die Neuen sind zu uneinig und zu dickschädelig. Microsoft-Chef Bill Gates will als High-Tech-Napoleon alles allein beherrschen. Das verprellt seine potentiellen Verbündeten. Sie bekommen Angst vor der eigenen Courage und flüchten lieber unter die Fittiche der Etablierten mit ihren riesigen Marketing-Apparaten und gefüllten Kriegskassen – allein IBM hat 10,5 Milliarden Dollar flüssig auf seinen Konten.
So scheint mit dem Verkauf an IBM die Lotus- Zukunft erst einmal gesichert. Die Firma hatte in den letzten Monaten immerhin eine rote Bilanz, weil ihre alten Programme nicht mehr die üblichen Gewinnspannen abwarfen und das neue Netzwerkprogramm „Notes“ gerade erst auf dem Weg zur Goldkuh ist. IBM will mit der gekauften Software und dem Know- how der berühmten Programmierer den Umsatz seiner Computer und PC-Betriebssysteme so steigern, daß sich die investierten Milliarden rentieren.
Ob das gelingt, ist zweifelhaft. Bisher fielen die Manager von „Big Blue“ vor allem durch ihre Schwerfälligkeit auf. Wenn sie ihre träge Masse auf Lotus übertragen, kann deren Entwicklungsvorsprung schnell perdu sein. Und auch die Programmierer von Lotus könnten die Faxen mit dem neuen großen Bruder schnell dicke haben. Wenn sie die IBM-Bürokratie ärgert, kann sie niemand daran hindern, einfach zu gehen – zum Beispiel zu Microsoft. Bill Gates wartet nur auf ihr Insider-Wissen. Reiner Metzger
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