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Hype ums iPhoneDie Zukunft von 2007

Das neue iPhone 5 ist offiziell vorgestellt worden und kann ab nächster Woche wieder ein bisschen mehr. Aber können wir noch?

Wie riecht die Zukunft von gestern? Bild: reuters

SAN FRANCISCO taz | Seit ungefähr fünf Jahren schleppen wir jetzt ständig einen Computer mit uns herum, weil Steve Jobs uns irgendwann einmal eingeredet hat, es sei nur ein besonders schickes Telefon.

Der Computer macht Fotos für uns, er wird zur Landkarte, zur Zeitung, zum Buch, er ist Stereoanlage und Videorekorder, man kann damit im Restaurant bezahlen, man kann sogar mit ihm sprechen, wobei man sagen muss, dass die Sprachsoftware Siri für eine Einjährige einen beachtlichen Wortschatz hat, aber manchmal schwerhörig ist, als wäre sie 90.

Steve Jobs, der Chef der Computerfirma Apple, ist seit fast einem Jahr tot, trotzdem gibt es nicht weniger von diesen Computern. Gerade ist in San Francisco ein neuer vorgestellt worden. Er heißt iPhone 5 und entspricht dem Schönheitsbild und den Idealen des Facebook-Zeitalters: Dünn und schwer untergewichtig (Mikrochips-Diät), höchst multitaskingfähig (Schickt SMS beim Telefonieren), mit einem noch längeren Bildschirm (Phone-Enlargement), einer digitalen Rabattkartensammelstelle (Passbook), einem jetzt noch schlankeren Blitz-Ladekabel (Lightning), einer jetzt noch schnelleren Internetverbindung (LTE) und jetzt noch breiteren Fotos (Panorama).

Wie immer, wenn Apple einen dieser neuen Computer vorstellt, drängelten sich sehr viele Journalisten in eine Halle in Kalifornien hinein, um sekündlich Bilder ins Internet zu schicken, als wäre die Curiosity im Saal gelandet, und wie immer, nach der iPhone-Premiere 2007, schrieben danach einige, die Revolution sei diesmal ausgefallen. Sehr erwartbar das alles.

„Wir müssen die Zukunft verteilen“

Auf der Bühne stand Tim Cook, der neue Chef von Apple, dem wertvollsten Aktienunternehmen aller Zeiten. Der eigentliche Nachfolger von Steve Jobs aber, würden manche sagen, hatte schon zwei Tage vorher gesprochen. Jack Dorsey hat Twitter mitgegründet und eine Firma namens Square, die sich gerade auf vielen iPhone-Computern in den USA verbreitet, weil man damit in Restaurants und Läden bezahlen kann, indem man einfach nur seinen Namen sagt. Den Rest macht eine App, die die Kreditkartendaten kennt und merkt, wenn man im Laden ist (GPS).

Jack Dorsey redet ein bisschen wie Steve Jobs, also wie jemand, den Helmut Schmidt zum Arzt schicken würde. Echt visionär. Und auf der Technik-Konferenz des Nerd-Nachrichtendienstes Techcrunch hat Dorsey gesagt, wir bräuchten eine Revolution, daran müsse gearbeitet werden. Die Zukunft sei hier, sie sei nur noch nicht gerecht verteilt, zitierte er den Science-Fiction-Autor William Gibson. „Wir müssen die Zukunft verteilen.“

Mit den iPhone-Computern hat uns Steve Jobs die Zukunft 2007 in die Hand gegeben. Es war eine Zukunft, in der man immer überall verortet ist (Google Maps) und über alle Revolutionen sofort Bescheid weiß (Twitter), in der Urlaubspostkarten dreieinhalb Sekunden brauchten (Facebook, Achtung Roaming-Gebühren) und Buchkäufe zwei Klicks (Amazon). Es war eine Zukunft großer Nähe – zu Freunden in aller Welt, aber auch zum Posteingang mit den Büro-Mails. Eine Zukunft, in der man ständig und immer so viel wissen konnte, das man manchmal gar nichts mehr wusste.

Mal wieder gegen die Straßenlaterne laufen

So ist das jetzt also. Wie geht es nach dem iPhone 5 weiter?

Wenn man davon ausgeht, dass sich große Teile der aktuellen Zukunft im Silicon Valley befinden, in einem Starbucks in Palo Alto etwa, gegenüber von dem Apple-Store, in dem Steve Jobs einmal das iPad vorgestellt hat, dann werden wir unsere Computer noch seltener aus den Augen lassen, wir werden in der Kaffeeschlange stehen, die auch ein Bahnsteig sein kann, ein Fahrstuhl, und Facebook-Mitteilungen lesen, Twitter checken, Mails schreiben. All die LTEchtzeit wird uns noch ungeduldiger machen, noch pushiger.

Wir werden häufiger gegen eine Straßenlaterne rennen, schnell noch die Mail weg. Und dann auch wieder seltener. „Siri, schreib Dieter über Facebook: Bin gleich da!“ Wir werden Passbook benutzen, um digitale Tickets am Flughafen vorzulegen oder Rabattkarten im Supermarkt. Wir werden Siri fragen, was im Kino läuft, und sie bitten, vorher einen Tisch zu reservieren (iOS 6).

Wir werden so viele Dinge mit diesem Computer tun können, den Steve Jobs uns untergejubelt hat, dass wir uns manchmal wünschen, er sei nur ein Telefon und wir könnten einfach an die Decke schauen und nachdenken, während wir in dieser Kaffeeschlange warten.

Und wenn wir nicht ganz doof sind, werden wir merken, dass das geht.

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20 Kommentare

 / 
  • JG
    Johannes Gernert

    @Harnack Danke für den Hinweis. Das war natürlich Blödsinn, Verzeihung. Ist korrigiert.

  • A
    Analogtelefon

    Das millionenheer der hippen Applelemminge läßt sich von nihilistiaschen, nörgelnden Dauerneidern nicht beirren.

  • G
    GreenGranada

    Ich erinnere mich an Zeiten, da war die taz noch nicht pseudo-lifestyle-hip "links", sondern vertrat noch die Werte der einfachen Menschen, die sich vielleicht nicht jedes neue Apple-Gimmick leisten können.

     

    Liebe Redaktion, es gibt tatsächlich noch Menschen, die nicht nur aus Gewissensgründen auf solchen technischen Schnickschnack verzichten und ich würde mich freuen, wenn die wieder vertreten werden.

     

    Dann verschiebt sich Eure Leserschaft auch wieder weg von der hippen vegan lebenden Designstudentin zu den Arbeitern.

  • K
    Klaus

    aber hauptsache Werbung für das taz-Kombiabo fürs Smartphone direkt neben dem Artikel. Interessante Ironie der Weltverbesserer.

  • MD
    Martin D.

    die oma hatte doch recht, oder? wer braucht denn heute noch tasten am telefon?

     

    der fortschritt war ja nicht die taste statt wählrad - die paar sekunden - sondern der nummernspeicher.

  • H
    Harnack

    "Steve Jobs ist seit mehr als einem Jahr Tod"??? Er ist am 5.10.2011 gestorben!

  • P
    P.Haller

    @FaktenStattFiktion

    Bin zwar keine Grossmutter, aber ich kann Ihrer nur voll zustimmen. Kluge Frau !!

  • K
    Kampfhahn

    Nicht alle sind so drauf, das sind vor allem die blindhamsternden Apple-Jünger.

     

    Ich bin froh, dass ich nicht dazu gehöre. Bei FB bin ich raus, bei Twitter war ich nie, besitze seit kurzem erst ein (Samsung-) Smartphone aber ohne Internetflat...unterm Strich mache ich damit auch nicht anderes wie mit dem klobigen Nokia, dass ich davor hatte. Musik höre ich über meinen separaten Mp3-Player, weil diese in die Telefone integrierten mistig klingen.

     

    Es gibt noch andere wie mich. Also besteht wohl noch Hoffnung, dass wir irgendwann nicht durchgehend technologieverblendete, internetabhängige Zombies sind...

  • SS
    Stefan S.

    @hollande

     

    aufdrücken lassen? Ist doch ganz alleine deine Entscheidung.

     

    Das Argument: Deine Freunde nutzen das und du fühlst genötigt siehst es auch haben zu müssen, dann sind deine Freunde eben anderer Meinung als du.

     

    Dafür Apple, der Regierung, irgendwem anders die Schuld unterschieben zu wollen ist nicht gerade logisch.

     

    Letztlich sind es die Menschen die was wollen, das ist doch der Vorteil an der Konsumgesellschaft: Man sieht ziemlich deutlich was bei den Menschen ankommt, auch wenn man es selber vielleicht nicht mag/braucht.

  • 4
    4tehlulz

    FaktenStattFiktion:

    "Meine Großmutter meinte "Das braucht kein Mensch" als das Wählscheibentelefon durch das Tastentelefon abgelöst wurde."

     

    recht hatte sie. brauchen tut den ganzen kram wirklich kein mensch, ausser er möchte möglichst exhibitionistisch auf facebook etc. mit details aus seinem leben um sich werfen. zugegebenermaßen: nen fahrplan nachgucken oder mal auf ne karte ist auch praktisch.. aber da unterstützt die technik eher die faulheit sich nicht mehr vorbereiten zu müssen.

     

    und mal ernsthaft: haptisch waren wählscheiben wirklich schöner.

     

    und zu guter letzt:

    apple ist unsympathisch, apple fanboys sind auch unsympathisch. gibts alles in besser und billiger woanders.

  • JX
    Joe XXX

    @ Hollande:

     

    Und warum hast Du dann so n Ding? Falls das Gehirn doch mal ausfällt? ;-)) Nee, 'n Supermarkt-Händi tut 's auch und das stresst schon. Ich seh' das dann doch eher wie die Großmutter von FaktenStattFiktion.

  • I
    Iii-Phone

    Früher gab es Telefone nur im Wohnzimmer oder im Flur, heute laufen alle damit rum, stammeln damit aus dem Fenster, nerven ihre Nachbarn und Passanten schlimmer als jede Scannerkasse oder ein Campingplatz und merken es noch nicht einmal. Selbstsüchtige Autisten!

     

    Deshalb gibt es immer mehr Gewalt.

  • P
    p3t3r

    technisch gesehn mag die zukunft da sein, sozial und wirtschaftlich gesehn aber nicht, obwohl es so schön sein könnte, weil genug geld für alle da ist, nur die verteilung stimmt nicht!

    und solange es kein bedingungsloses grundeinkommen für ALLE menschen gibt, wird die technische zukunft immer fade und mit bitterem beigeschmack sein!

     

    ps das kapital hat seine Arbeit gemacht es gibt geld für alle

  • C
    cook

    Der sarkastische Unterton ist ja gut & schön - trotzdem hat es das iPhone als erste Schlagzeile in eure Nachrichten gebracht!

     

    Denkt mal drüber nach... ;)

  • M
    Mike

    Und auch hier kein Wort, unter welchen Bedingungen das Teil produziert wurde....

  • V
    viccy

    @ FaktenstattFiktion

     

    Lies doch die letzten drei Absätze noch mal und dann wirst Du wahrscheinlich sehen, wo die entscheidenden Unterschiede zu Deiner Oma und dem Tastentelefon liegen.

     

    Fraglich, ob die Generation, die jetzt so langsam in die Pubertät kommt oder grade drin ist, einen solchen Artikel überhaupt noch versteht. Eine Frage, die mich etwas traurig macht.

  • KS
    Karl Sonnenschein

    Genial.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Meine Großmutter meinte "Das braucht kein Mensch" als das Wählscheibentelefon durch das Tastentelefon abgelöst wurde.

     

    Johannes Gernert dürfte es ähnlich gesehen haben.

  • DO
    der opa
  • H
    hollande

    Schöner Artikel. Politisch liegt ihr ja oft daneben - aber hier hat die TAZ einmal ins Schwarze getroffen. Die Frage, wieviel wir uns von der zunehmenden Digitalisierung noch zumuten und aufdrücken lasse wollen wird immer notwendiger. Ich finde das Iphone zugegebenermaßen auch sehr schön, nutze aber nur die wesentlichen Funktionen: Telefonieren, ab- und an im Internet surfen und meine Musik hören. Was will ich mit einer "Siri"? Mir mein Gehirn wegnehmen lassen? Im Leben nicht!